Kormoran: Schuldig!

Der Singener SPD-Landtagsabgeordnete Hans-Peter Storz hat eine Anfrage an die Landesregierung zum Thema gestellt. Aber nicht nur er, auch der FDP-Landtagsabgeordnete Klaus Hoher MdL aus Salem und die FDP/DVP-Fraktion im Landtag sind beim Thema Kormoran und Fischerelend nicht untätig geblieben und fordern die Landesregierung beherzt auf, endlich tätig zu werden.

Der Verband Badischer Berufsfischer am Bodensee e.V. ist eine sehr rege Interessenvertretung, die sich seit Jahren nicht zuletzt dem Kampf mit dem und gegen den Kormoran widmet (seemoz berichtete bereits ausführlich). Der schwarze Vogel, der gern wie ein Pleitegeier auf von ihm zugekoteten Bäumen hockt und mit seinem stechenden Blick verächtlich auf das Treiben der arglosen Menschen hinunterschaut, vermehrt sich am Bodensee scheint’s ungehemmt und wird durch seinen ungezügelten Appetit auf leckeren Bodenseefisch zu einem echten Konkurrenten der ohnehin gebeutelten Fischereiwirtschaft am Schwäbischen Meer. Er erkennt keine Schonzeiten an, und mit seinem riesigen Schnabel verspeist er ungeheure Mengen der immer rarer werdenden Bodenseefische, sodass BerufsfischerInnen ebenso wie Hobbyangler immer öfter leere Netze bzw. Angelhaken aus dem Wasser ziehen. Selbst die geschütztesten Fischarten verputzt der Halunke ungerührt, und so mancher Feinschmecker bekommt Tränen in den Augen, wenn er daran denkt, was alles aus Gründen des Artenschutzes auf der Speisekarte seiner Lieblingsrestaurants fehlen muss, während der Kormoran all diese Leckerlis so wegspachtelt, wie die Natur sie geschaffen hat.

Der Höllenvogel

Der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP/DVP-Fraktion im Landtag, Klaus Hoher aus Salem, will diesem Höllenvogel, dessen Population am Bodensee sich in rund 20 Jahren versechsfacht hat, jetzt Flügel machen. „Die Folgen sind schwindende Fischbestände und die Existenzgefährdung der Berufsfischerei. Der Vogel ernährt sich fast ausschließlich von Fisch, und das kann er insbesondere im baden-württembergischen Teil des Bodensees nach Herzenslust tun.“ Kann man’s dem Vogel verdenken? Soll er denn immer erst den weiten Weg zum nächsten Burger King fliegen, um dort einen Fisch Mac zu bestellen, wenn der große Hunger in seinen dunklen Eingeweiden tobt?

Schuld an diesem Treiben ist, wie könnte es auch anders sein?, aus Sicht der Liberalen die grün-schwarze (schwarz wie der Kormoran, merken Sie was?) Landesregierung in Stuttgart, die dem mörderischen Treiben der finsteren Bestie tatenlos zusieht. „Nach vielen leeren Versprechungen hat die Landesregierung zu Beginn des Jahres 2021 eine ‚Vorstudie für ein mögliches Kormoranmanagement am Bodensee‘ in Auftrag gegeben.“ Die Liberalen wollen sich aber nicht mit einer Vorstudie abspeisen lassen, sondern gleich Nägel mit (Kormoran-) Köpfen machen: „Wir fordern eine zeitgemäße Überarbeitung der Kormoranverordnung, die die Vergrämung von Kormoranen künftig weniger bürokratisch handhabt. Es braucht außerdem ein international abgestimmtes Management des Kormorans, insbesondere am Bodensee, das dessen Anzahl langfristig auf ein Maß verringert, bei dem der Einfluss auf fischwirtschaftlich wichtige und gefährdete Fischarten gegenüber dem jetzigen stark reduziert wird und zu einer Erholung der Fischbestände und einem Erhalt gefährdeter Fischarten beiträgt.“ Das ist so gedrechselt formuliert, dass es kein Kormoran versteht, aber für die Kormorane unter unserer Leserschaft sei es klar und deutlich gesagt: Früher hieß das ganz einfach „Ab nach Sibirien“ oder „Rübe runter“, für solche Schlawiner wie Euch ist den Liberalen eine Kugel nicht zu schade – eine pro Kormoran, wohlgemerkt.

Das Vieh ist zäh und hat gute Nerven

Man erinnert sich noch, es gab schon die verschiedensten „Vergrämungsversuche“ wider den griesgrämig dreinschauenden Kormoran – man schreckte ihn nachts mit Scheinwerfern auf, in der Hoffnung, seine Brut möge dann im Ei an Unterkühlung sterben. Der Brut im Ei war’s herzlich egal, wer selbst vor seiner Geburt schon den ewigen Fischgestank seiner dauernd vor sich hinkrächzenden Sippschaft erträgt, der erträgt auch gleißendes Scheinwerferlicht locker, zumal im ewig dunklen Ei. Der Kormoran vermehrte sich munter weiter, und seinem Appetit auf Fisch hat die Aktion sichtlich auch nicht geschadet. Trotzdem blieb die Landesregierung untätig!

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Dieses Versagen der Regierung ist linkem Ungeist entsprossen, machen doch andere Länder mit dem Biest nicht so viel Federlesens, wie der Auslandsgeheimdienst der FDP/DVP in Erfahrung bringen konnte: „In der Schweiz ist der Kormoran außer am Bodensee eine jagdbare Art. In Frankreich gibt es Abschussquoten für die Departements. In Vorarlberg in Österreich gibt es ein gezieltes Kormoranmanagement am Bodensee.“ Also ultimative Vergrämung, genau wie bei den Indianern damals, ehe sie plötzlich dank Kevin Costner Kult wurden: Nur ein toter Kormoran ist ein guter Kormoran, da sind sich die FischerInnen vom Bodensee und die LiberalInnen in Stuttgart einig. Allerdings gibt es da noch ein kleines bürokratisches Hemmnis: Das schwarze Ungeheuer hat bisher nicht genug zu befürchten, denn es wird nach Angaben der Liberalen von der EU-Vogelschutzrichtlinie ebenso wie vom Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geschützt. Da ist es dem Federvieh ja auch ein Leichtes, den hungrigen Menschen Tag für Tag eine Nase zu drehen.

Wie liberal sind die Liberalen eigentlich?

Aber halt, da stimmt doch was nicht! Ich erkenne meine liberalen Lieblingsfeinde ja kaum mehr wieder!

Sind Liberale nicht jene Leute, die den Markt von bürokratischen Hemmnissen befreien wollen, auf dass jede und jeder ungehindert und ohne nennenswerte Rücksicht auf andere sein Gewinnstreben austoben kann? Die Verfechter einer ruhelosen Marktwirtschaft, in der jeder von uns seines Glückes und folglich auch seines Unglückes Schmied sein soll? Wo Survival of the Fittest und Ellenbogenstöße angesagt sind – und wer am Markt nicht bestehen kann, doch bitte sehen soll, wo er bleibt?

Und jetzt fordern dieselben Liberalen einen (am liebsten sogar bewaffneten) Eingriff in den Markt, um die Chancen der darbenden Fischer im Kampf um die Fische zu verbessern? Das dünkt mich sehr unliberal, ja geradezu schon staatssozialistisch und völlig wettbewerbsverzerrend oder gar -feindlich. Hier stehen zwei Gruppen in hartem Kampf um Fischmarktanteile: Auf der einen Seite die Kormorane, die sich und ihre Familien durchs Fischetotmachen über Wasser halten, auf der anderen Seite die FischerInnen, die sich und ihre Familien durchs Fischetotmachen über Wasser halten. Da dürfen sich Liberale doch nicht auf die eine oder die andere Seite schlagen? Und wenn schon, wieso dann nicht auf die Seite der Fische?

Sozialistische Liberale oder liberale Kommunisten?

Verkleideter Kormoran auf frischer Tat beim Fischfrevel ertappt.

Doch die FDP vertraut in diesem Fall nicht auf die ihr heilige Macht des freien Marktes? Im Kampf um den Fisch hat der Kormoran derzeit, wenn man den FischerInnen und der FDP/DVP glaubt, die Nase vorn, und echte Liberale müssten ihn daher als den Christian Lindner unter den Bodenseevögeln verehren. Sie dürftenden hungerleidenden Fischern höchstens empfehlen, die sollten doch einfach härter arbeiten und sich längere Schnäbel wachsen lassen.

Was also treibt diese angeblich Liberalen wirklich um, dass sie ihre Prinzipien so verraten?

Vermutlich hat der Kormoran in ihren Augen einen Hauptnachteil: Er wählt nicht FDP. Oder haben Sie schon mal einen Kormoran in der Wahlkabine neben sich die „Liberale Internationale“ krächzen hören? Nichts da! Höchstens ein zynisches „Fischer Fritze fischt frische Fische“ dringt da mal raus, doch keine inbrünstig angestimmte Parteihymne. Aber, liebe FDPlerInnen, lasst Euch einen Tipp geben: Mit der Forderung nach einem blutrünstigen Kormoran-„Management“ werdet Ihr vielleicht ein paar Stimmen unter FischerInnen und AnglerInnen absahnen. Aber die wirklichen Massen, die viel, viel zahlreicheren und sich kräftig vermehrenden Kormorane nämlich, werden Euch dann gewiss niemals wählen, nicht jetzt und auch nicht im siebten Glied, denn sie sind ganz fies nachtragend, wie ihre fliehende Stirn eindeutig beweist.

Überlegt es Euch also noch mal, ehe Ihr Euch so leichtfertig Eure Zukunft verbaut. Der Kormoran könnte siegen, und dann bleibt Ihr für hunderttausend Jahre auf der Oppositionsbank und traut Euch nicht mal aufs Landtagsklo, weil da plötzlich ein verdammt langer und verdammt scharfer Schnabel, an dem noch einige letzte Felchengräten hängen, unter der Tür hindurch unversehens nach Eurem Allerwertesten hacken könnte.

Text: O. Pugliese, Symbolbilder: Oben – Kormoran mit elektronischer Fußfessel beim Absitzen seiner Bewährungsstrafe wegen unerlaubten Fischens und widernatürlichen Eingriffs in die natürliche Hackordnung. Unten – Verkleideter Kormoran auf frischer Tat beim Fischfrevel ertappt. (c) Here and now, unfortunately, ends my journey on Pixabay bzw. Iain Poole, beide auf Pixabay.