Danke, Didi
Vergangenes Wochenende ist der Stuttgarter Journalist Dietrich „Didi“ Willier (64) gestorben. In den vergangenen Monaten waren einige seiner Geschichten auch bei seemoz zu lesen und erfreuten sich großer Beliebtheit. Ein kleiner, sehr privater Rückblick auf einen wunderbaren Menschen und herausragenden Journalisten.
Irgendwann Mitte der achtziger Jahre stand er vor meiner Konstanzer Wohnungstüre: Schwarz gelockt, dazu ein imposanter Schnauzbart, wache und warme Augen blitzten hinter den Brillengläsern. Didi leitete damals die taz-Redaktion in Stuttgart und suchte nach einem Kollegen, der aus dem tiefen Süden berichten würde. Wir freundeten uns schnell an, tauschten uns regelmäßig aus und belieferten die Berliner taz-Redaktion mit Berichten aus Baden-Württemberg.
Später landete Didi bei der STERN-Redaktion in Stuttgart und bekam die Chance, auch längere Auslandsreportagen anzugehen. Ich erinnere mich noch gut daran, als er die Möglichkeit nutzte, wochenlang in einem PKK-Lager in Kurdistan zu verbringen und dabei dem PKK-Chef Abdullah Öcalan sehr nahe kam. Neben einer spannenden Reportage entstanden auch wunderbare Bilder: Da übte Didi mit Öcalan bei einem Lagerkick in einem schwerbewachten Widerstandsnetz den Doppelpass – Fußball spielen konnten sie beide nicht.
Dann, Anfang der neunziger Jahre, betätigte sich Didi wieder als Free-Lancer. Für die ZEIT ging er nach Sarajewo und schrieb aufrüttelnde Reportagen über eine Stadt und den täglichen Überlebenskampf ihrer Bewohner. Wir hatten ihm abgeraten davon, sich dem Abenteuer als Kriegsberichterstatter auszusetzen. Jede Straßenüberquerung hätte seine letzte sein können, doch Didi hatte Glück und seine Balkan-Dossiers gehörten mit zum Besten, was die deutschsprachige Presse zu diesem Thema damals zu bieten hatte.
In den letzten Monaten des sogenannten Jugoslawien-Krieges reisten wir zusammen durch Kroatien und Didi nahm mich mit auf die kleine, bezaubernde Insel Korcula, ganz im Süden Kroatiens gelegen. Im Örtchen Lumbarda verbrachten wir einige Jahre hintereinander mehrere Sommerwochen, Freundschaften mit Einheimischen entstanden, die sich bis heute gehalten haben. Wir hingen schönen Träumen nach und schmiedeten Pläne für gemeinsame Projekte, die heute noch wie bunt-schillernde Seifenblasen über den sonnigen Stränden dieses kroatischen Kleinods hängen.
Gegen Ende des alten Jahrtausends fand Didi beim SWR eine Anstellung und kümmerte sich redaktionell um die Mitgliederzeitschrift des Tigerenten-Clubs. 2002 holte er mich mit ins Enten-Boot und wir arbeiteten fünf anstrengende, aber auch sehr produktive Jahre eng zusammen. Im Februar 2009 dann der Schock für ihn und auch alle, die ihn kannten: Krebs im fortgeschrittenen Stadium. Gar keine Hoffnung? „Nein“, sagte er leise am Telefon, „mit Glück reicht es noch für Ostern 2010“.
Pfingsten 2009 mühte er sich zu mir nach Konstanz. Die Chemo hatte ihn schon schwer gezeichnet, doch er ertrug die Qualen mit großer Würde. Eine Woche blieb er, eine Woche, für die ich dankbar bin. Wir mussten nicht darüber reden, aber wir wussten beide: Das wird sein letzter Besuch am Bodensee sein. Wir suchten nochmal seine Lieblingsplätze auf, es waren stille, bewegende Momente. Unser Abschied voneinander gestaltete sich wie immer, obwohl alles so völlig anders war. Wir nahmen uns in den Arm und er sagte lächelnd: „Pass auf Dich auf, Großer“.
Am 11.Dezember ist Dietrich Willier in Stuttgart gestorben. Um ihn herum seine Familie und seine Stuttgarter Freunde, die bis zum letzten Atemzug bei ihm am Totenbett waren. Ein eindrucksvolles Ende, wie er es sich auch gewünscht hatte.
Allmählich und zunehmend schmerzlich stellt sich bei mir ein Gefühl der Leere ein. Da wird mir ein lieb gewordener Kollege fehlen, ein sehr enger Freund, der bisweilen auch ein großer Bruder war. So bleibt nur ein Nach-Ruf: Danke für alles, Didi.
Fotos: Angelika Emmerling
Autor/In: H.Reile