Schluss mit der anonymen Kinderei
Für die überwiegende Mehrzahl der Internetnutzer scheint es völlig normal zu sein, nur noch unter Pseudonym zu schreiben. Das mag in manchen Fällen einen triftigen Grund haben, den man nachvollziehen kann. Meistens aber ist dieses Gebaren hochgradig albern und deswegen schieben wir Heckenschützen aus dem dichten Unterholz in Zukunft einen Riegel vor. An wenigen Ausnahmen halten wir allerdings weiterhin fest
Auf seemoz wird zunehmend kommentiert, was uns freut. In letzter Zeit aber mehren sich anonyme Zuschriften, gezeichnet von ZeitgenossInnen, die real nicht existieren, aber glauben, sie könnten uns unter gefakten Email-Adressen irgendwelchen Schrott unterjubeln. Mal handelt es sich um rassistische Äußerungen zu einer aktuellen Debatte, mal um Verlautbarungen randständiger Verschwörungstheoretiker, brauner Schmutzfinken und im Netz vagabundierender Psychopathen. Mit dabei auch Kommentare, deren Behauptungen meist durch nichts zu belegen sind und Steilvorlagen wären, um uns in juristische Kalamitäten zu bringen. Das nervt, frisst Zeit und Energie. Grund genug also, den Papierkorb zu bemühen.
Erstaunlich aber auch, dass immer wieder Kommentare unter Pseudonym bei uns eingehen, die sich auf eher harmlose seemoz-Texte beziehen. Warum, so fragen wir uns oft kopfschüttelnd, versteckt sich jemand unter einer Tarnkappe und schreibt nicht unter seinem Klarnamen, wenn er lediglich die Verbreiterung eines Radweges ablehnt, gerne mehr Spielplätze in der Stadt hätte oder das Ticket für den Katamaran zu teuer findet? Was soll diese Heimlichtuerei? Noch weniger Verständnis haben wir, wenn uns zu einem Thema mehrere Kommentare unter verschiedenen Phantasienamen erreichen und wir feststellen, dass sich hinter „greta“, „thommy12“ und „baschti0815“ ein und dieselbe Person versteckt. Mit Verlaub: Da ist ärztliche Hilfe angesagt. Wir schreiben ja auch nicht unter Tarnnamen und akzeptieren auch Kritik an unserer Arbeit. Also bitteschön Visier hochklappen und namentlich zur eigenen Meinung stehen. Nur so ist ein vernünftiger und offener Diskurs möglich.
Pseudonyme akzeptieren wir ab sofort nur noch, wenn uns brisante Informationen zugespielt werden. Das aber auch nur, wenn zumindest unserer Redaktion die VerfasserInnen unter ihrer wahren Identität bekannt sind, wir sie aber schützen müssen, damit sie keine Schwierigkeiten, beispielsweise an ihrem Arbeitsplatz, bekommen. In der Regel handelt es sich dabei um vertrauliche Hinweise aus der Stadtverwaltung, dem Krankenhaus, der Herzklinik, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Erst kürzlich bekamen wir interessantes Material, das sich mit den innerbetrieblichen Zuständen in besagter Herzklinik beschäftigt. Wir haben es bislang nicht veröffentlicht, denn die Absender verschweigen uns trotz mehrmaliger Nachfrage beharrlich ihre Identität. Ihnen sei an dieser Stelle nochmal ausdrücklich versichert, dass für uns der Informantenschutz selbstverständlich ganz oben steht. Das war schon immer so und wird auch so bleiben.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: H.Reile
Kuhl! Lange überfällig! – Natürlich haben Leute, die einen Schutz ihrer Persönlichkeit bei bestimmten Meinungsäußerungen, evtl. sogar irgendwelchen Interna, brauchen, auch Recht mit ihren Anonymitätswünschen, aber dabei muß man dann halt (und kann man dann ja auch hoffentlich, oder, H.&H.P.?!) auf das jeweilige Medium vertrauen, bei dem man seinen Senf zu irgendwas abgeben möchte (oder ansonsten halt die Schnüß halten!)! – Grundsätzlich sehe ichs aber auch so, daß eine Meinung hinter der „Niemand“ steht, keine bzw. Müll ist! (an diesen angeblichen „Architekten“, der auf dem (offenbar mittlerweile) pleite gegangenen , euren, „Konkurenzblog in KN“ immer so für die „Zukunftstechnologie“ Fracking polemisierte und Alle, die sich für irgendetwas positives auf dieser Welt eingesetzt haben, niveaulos beleidigte, ohne wenigstens mal irgendwann zu seinem Namen zu stehen, erinnert ihr euch ja sicher auch noch… 😉 )
Ich meine nur der Inhalt eines Beitrags sollte das Kriterium zur Veröffentlichung sein. Ist der schlüssig formuliert und mit begründeten Argumenten versehen, sollte Wurst sein welcher Name drunter steht. Zensur untergräbt die Freiheit des Denkens und der Meinungen
Es gibt ausreichend Gründe unter Pseudonym aufzutreten. Ein ehemaliger Chef hielt mein taz-Abo für ausreichend, mit Konsequenzen zu drohen.
Es dürfte den meisten nicht darum gehen erkannt zu werden, wenn jemand gezielt seemoz und die Kommentare liest, aber dass der Klarname in allen populären Suchmaschinen auftaucht ist mir unangenehm.
Vorschlag: Seit langem gibt es im Web die einfache Möglichkeit Suchmaschinen davon abzuhalten, bestimmte Teile eines Web-Auftritts nicht zu indizieren. Das ist eine einfache Textdatei namens robot.txt,, siehe bei Wikipedia. Die sind auch ein gutes Beispiel dafür dass das funktioniert. Die nicht direkt zur Enzyklopädie gehörendenWP-Inhalte (die meisten) erscheinen in keiner populären Suchmaschine.
Natürlich muss sich niemand an diese Konvention halten, Geheim- und ähnliche Dienste dürften das ignorieren, vielleicht bieten auch kommerzielle Suchmaschinen diesen Service für Personaler, Lehrer und besorgte Eltern.
Das finde ich jetzt sehr respektabel, wenn diesen anonymen Besserwissern mal aufgezeigt wird, dass sie zu ihrer Meinung stehen müssen. Und zwar mit Klarnamen. — Was die Freie Grüne Liste angeht, da wäre es im Sinne einer grösseren Transparenz (was sie ja immer für sich behauptet) wunderschön, wenn die unterschiedlichen Meinungen und die Zerrissenheit dieser Fraktion noch deutlicher zu Tage treten würde. Aber die meisten der FGL trauen sich ja mit Klarnamen zu kommentieren. Immerhin. Deswegen muss ich sie ja nicht beim nächsten Mal wählen ! Ja, die liebe Autohasserpartei… (siehe Allweiss-Artikel im Südkurier).
Ich erinnere mich, dass der „Südkurier“ vor einiger Zeit – zumindest stellenweise – darauf hingewiesen hat, von da an keine Kommentare mehr ohne Klarnamen zu veröffentlichen. Man hat aber offensichtlich gemerkt, dass kaum ein (online)-Leser bereit ist, Stellungnahmen und Meinungen zu Themen abzugeben, insbesondere dann nicht, wenn es sich um etwas heiklere Dinge handelt. Und ist deshalb von dem Vorsatz wieder abgegangen.
Wie im Text von Herrn Reile ausgeführt, ist diese Zurückhaltung von Lesern, sich zu heikleren Angelegenheiten mit Klarnamen zu äußern, wegen der Gefahr, in „juristische Kalamitäten“ geraten zu können, auch logisch und nachvollziehbar.
Insbesondere dann, wenn es sich um Kritik an der Tätigkeit von bekannten Personen des Öffentlichen Lebens handelt. Man kann sich dabei schnell strafrechtlichen und zivilrechtlichen Verfahren ausgesetzt sehen, wobei es dem Klagenden/der Klägerin darauf ankommt, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, indem einerseits der/die Verfolgte für viele Monate wenn nicht länger zum Schweigen „verurteilt“ ist, und dann, nach erfolgter Terminierung der Sache durch das Landgericht, die bekannte öffentliche Person ihre Klage schnell zurücknimmt, damit die Angelegenheit von Anfang an als gar nicht anhängig gilt, somit keine Sachbehandlung vor Gericht erfolgt.
Dies wissen nicht Wenige und ahnen Viele und scheuen deshalb ihrerseits die Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser.
Das Gute an so einer Sache ist aber, dass man etwas Übergewicht ohne spezielle Diät abbaut 🙂
Schön, lieber Dirk Kirsten, dass Sie per Klarnamen geschrieben haben
Ich finde nicht, dass diese Entscheidung besonders hilfreich ist und finde diese Ansichten über Anonymität im Internet generell fragwürdig. Insbesondere ein solcher lokaler Blog bietet viele Gründe, anonym bleiben zu wollen. Wenn mein Arbeitgeber die BSB sind, sollte ich mich wohl lieber nicht mit Klarnamen hier über die Katamaranpreise äußern. Wenn ich erst gestern eine Diskussion mit meinem SUV-fahrenden Nachbarn hatte, der Radwege doof findet, hat es sicherlich auch nachvollziehbare Gründe wenn ich nicht möchte, dass der Nachbar hier meine Freude über Fahrradstraßen nachliest. Es kann aber auch beispielsweise sein, dass man nicht auf andere Initiativen, Vereine oder Parteien wirken möchte, mit denen man assoziert wird. So kann ich mir schwer vorstellen, dass beispielsweise Mitglieder der FGL hier mit Klarnamen posten würden, wenn sie aus welchen Gründen auch immer eine neue Fahrradstraße ablehnen würden – es würde schlicht mit der FGL, nicht nur mit ihnen als Privatperson verbunden werden.
Das Problem scheinen doch nicht die Klarnamen zu sein, sondern die Qualität mancher Kommentare. Hier kann man genauso Abhilfe leisten wie bislang: Alles, was einem nicht gefällt (sinnvollerweise formuliert man dazu noch ein paar klare Regeln), lässt man eben nicht durch den Filter – Sie haben hier ja das Haurecht und es ist simot ihr gutes Recht. Ich würde daher zu dieser Variante raten. Wenn Sie Wert auf eine gültige E-Mail-Adresse legen, gibt es auch dafür Systeme, die per Login oder bei anonymen Kommentaren durch Bestätigung per E-Mail verifizieren, dass eine gültige E-Mail-Adresse angegeben wurden. Obwohl mir da auch unklar ist, warum eine gültige E-Mail-Adresse jetzt so fundamental wichtig ist, da ich bei 99% aller Onlineportale ebenfalls eine spezielle Spamadresse angeben, schlicht um nicht potentiell mit Werbung und Spam überflutet zu werden. Um nur mal ein recht innovatives Tool zu nennen, was man hier auch einbinden könnte für die Kommentare und welches das Technische abnimmt, und explizit auf zivilisierte Diskussionen gerichtet ist, sei hier Discourse (http://www.discourse.org/) als Anregung genannt. Meiner Einschätzung hätte solch ein Tool wesentlich mehr Chancen auf Erfolg als ein Klarnamenzwang.
Ich würde übrigens vermuten, dass nun schlicht statt „thommy12“ eben „Thomas Schmidt“ schreibt – Da sie ja nun kaum eine Personalausweisprüfung durchführen werden, kann man das faktisch kaum rausfiltern.
Im Übrigen sei noch darauf verwiesen, dass sowohl die besten und freundlichsten Internetcommunities Pseudonyme verwenden, als auch stellenweise die schlimmsten Klarnamenzwang haben, auch wenn dieser nicht immer konsequent durchgesetzt wird (beispielsweise youtube oder Facebook, bei beiden Portalen sind die Kommentare häufig unterirdisch). Es ist statistisch einfach keine Korrelation zwischen Klarnamen und Qualität der Beiträge zu erkennen.
Sehr gute Ergänzung, Herr Lichtwald, zur ohnehin notwendigen Regulierung durch die seemoz-Redaktion. Es ist auch erschreckend, dass der Südkurier in seinem gedruckten Lokalteil anonyme Online-Kommentare abdruckt – wer das sehr teure Druck-Abonnement bezahlt, will das wirklich nicht lesen! Seriöse Publikationen, die etwas auf sich halten – und da gehören für mich Online-Seiten dazu – sollten, bis auf die von seemoz genannten Ausnahmen, generell darauf verzichten.
Diese klaren Worte sind dringend geboten. Das Urheberrecht im Internet ist schon lange ein heikles Thema. Ganz heiß wird es, wenn man über das Internet als politische Waffe nachdenkt. Wenn Themen unserer Gesellschaft genehm sind, dann wird über die Rolle des Internets in Ägypten oder in China oder in der Ukraine selbst in unseren Fernsehnachrichten gejubelt. Selbst Sendungen wie „Hart aber fair“ fragen nach, was das „Netz“ zu einem Thema meint. Und plötzlich sind anonyme Helden geboten, die Hasemuckels, Steuerudos, Merkelines, Hamsterbäckchen und so weiter. Das hat mit einer politischen Meinungsäußerung in einem demokratischen Staat nichts zu tun! Da geht der Rest unserer politischen Streitkultur kaputt! Die Kampagnen sind nicht unbedingt neu, den Shitstorm gab es auch schon in der Tagespresse. Ich erinnere mich an eine Serie falscher Leserbriefe in den 80er-Jahren, mit denen in Singen die Aufstellung eines Sendemasten für Hilfsdienste auf dem Hohentwiel letztlich verhindert wurde, denn der Gemeinderat gab dem vermeintlichen Bürgerwillen sogar in einer Sondersitzung nach. Ich hatte damals Glück, denn als Verantwortlicher der kleineren Tageszeitung hatte ich weniger Leserbriefe bekommen – und den Braten irgendwann gerochen. Die ganze Aktion wurde Jahre später ruchbar. Irgendjemand hatte Rache nehmen wollen und die Verantwortlichen am Nasenring durch die Stadt führen wollen. Spätestens ab dann werden in Singen Adressen von Leserbriefschreibern – vor allem in Wahlzeiten – zurückgefragt: Wir haben einen Leserbrief vorliegen, ist der auch von Ihnen? Facebook und Co. sind zur großen Spielwiese der Anonymen geworden. Aber bringt uns das als Gesellschaft weiter? Ich meine: Da wird ein junges Medium – zum Teil auch bewusst – zerstört! Und wieder die Frage: Cui bono?