„Wir ziehen Dich vom Boden hoch, bis Dir die Luft ausgeht“

Am 19. September haben wir darüber berichtet, dass uns fast täglich Drohungen von rechtsradikaler Seite erreichen. Das hat sich in den vergangenen Wochen fortgesetzt und ein Ausmaß angenommen, das wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Mittlerweile haben uns aufmunternde Solidaritätsadressen auch von vielen KollegInnen und befreundeten Redaktionen erreicht. Mit einer unrühmlichen Ausnahme

„Wer will schon mit Euch Lumpenpack zusammen arbeiten. Ihr seid doch allesamt bezahltes Gesindel und arbeitet seit Jahr und Tag an der Vernichtung Deutschlands, aber die grosse Abrechnung kommt! Macht Euch keine Sorgen, Ihr bleibt uns unvergessen!“ So und so ähnlich springt es uns entgegen, wenn wir vormittags unsere Laptops anwerfen. Der Hintergrund: Auf seemoz erschien vor einigen Wochen ein Artikel über Armin Schrott, stellvertretender Kreisvorsitzender der NPD Bodensee-Konstanz, der seine Brötchen als Angestellter bei der Post in Rielasingen-Worblingen verdient. Die Gewerkschaft Verdi wurde aufmerksam, die Post überlegt sich personelle Konsequenzen.

Denn noch nicht lange ist es her, als Verdi und Post eine gemeinsame Erklärung heraus gaben, in der sie erklärten, dass rechtsradikale Aktivitäten in ihren Betrieben nicht geduldet würden. Bald nach Veröffentlichung des Artikels trafen die ersten Drohmails bei uns ein. Seitdem der Text über den Nazifunktionär Schrott auch in der Berliner Tageszeitung „Neues Deutschland“ erschienen ist, werden wir nahezu rund um die Uhr mit Nazimaterial zugemüllt, und die persönlichen Angriffe und massiven Bedrohungen sind immer aggressiver geworden. Das liest sich dann zum Beispiel in einer Botschaft an Holger Reile so: „Hoess wurde von einem kleinen Schemel gehenkt, wir machen das einfacher mit Dir. Wir ziehen Dich vom Boden hoch, bis Dir die Luft ausgeht“. Daraufhin erstatteten wir Anzeige bei der Polizei und Computerspezialisten mühen sich zur Zeit nach Kräften, den Hintermännern auf die Spur zu kommen.

Da Öffentlichkeit in solchen Fällen oft auch Schutz bedeutet, machten wir Ende September mehrere Redaktionen im Landkreis Konstanz und in Baden-Württemberg auf die Vorgänge aufmerksam. Ziemlich schnell trafen Solidaritätsadressen bei uns ein, unter anderem vom Onlinemagazin „kontext“ aus Stuttgart, VVN („Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“) Berlin und Verdi Stuttgart. Die VVN Konstanz schickte eine Solidaritätserklärung über ihren großen Verteiler, mehrere Medien (SWR Konstanz, Radio Seefunk, Radio Dreyeckland, Blog Merano und Neues Deutschland) berichteten teils ausführlich. Dafür an dieser Stelle allen Kolleginnen und Kollegen herzlichen Dank.

Natürlich ging unsere Mitteilung auch an den Südkurier. Doch dieser rührte sich nicht. Als wir bei einem Pressetermin den Konstanzer Lokalchef Jörg-Peter Rau darauf ansprachen, kam eine Antwort, die uns doch staunen ließ. Wir sollten doch nicht glauben, so Rau, dass der Südkurier über die Morddrohungen gegenüber seemoz-Redakteuren berichten würde, denn wir würden ja keine Gelegenheit auslassen, um in regelmäßigen Abständen über ihn, seine Redaktion und seinen Arbeitgeber herzuziehen. Wer nun gedacht hätte, zumindest einige RedakteurInnen dieses Blatts würden sich kollegialer und wenigstens grundsätzlich solidarisch verhalten – Fehlanzeige.

Autor: Redaktion

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