Konstanzer Bräuche – der Fall Dr. Dierks

Baubürgermeister Kurt Werner steht in der Kritik. Seine Amtszeit, die im Februar 2014 endet, ist gepflastert mit unglücklichen und zum Teil wenig durchdachten Entscheidungen (Brücke am  Bahnhof, Begegnungszone, Umgestaltung Konzilareal). Damit steht er in guter Tradition. Wer erinnert sich noch an Werner Dierks, einen früheren Konstanzer Baubürgermeister? Der hat es in den 1970- und 80iger Jahren richtig krachen lassen. Ein Text aus dem Nebelhorn 10/1981, der damals für viel Wirbel sorgte

Die Konstanzer hängen keinen. Nicht einmal, wenn sie ihn haben. Da tagte ein Vierteljahr lang eine Ermittlungskommission des Gemeinderats (Mitglieder: Leipold (SPD), Bölle (SPD), Mack (CDU), Marzinzig (CDU), Ellegast (FWG), Dr. Hund (FDP), Eyermann (Ex-NPD, jetzt BGK) und Allweiss (Freie Grüne) und mühte sich, Licht in dunkle Ecken vornehmlich des Bauderzernats zu tragen. Man wurde fündig: Eine halbe Million hat Bürgermeister Dr. Werner Dierks dem Grafen Bernadotte und seinem Inselbetrieb geschenkt. Der adlige Gärtermeister genießt für die Beseitigung seiner Scheiße und der seiner Millionen Kunden sozusagen Sondertarife.

 

Dilettantische Vereinigung

Weiterhin: In der Stadtverwaltung zog seit Jahren eine dilettantische Vereinigung des gefährlichsten Kalibers ihre Fäden. Ungestört. (Ob sie auch kriminell ist, soll die weitere Arbeit des Ermittlungsausschusses zeigen.) Akten in Bauangelegenheiten sind nur „bedingt“ verfügbar. Eine Zusammenarbeit der Ämter im Baudezernat findet nicht statt. Jeder werkelt nach Gutdünken auf eigene Faust, und die linke weiß nicht, was die rechte tut. Und so weiter.

Als Fazit läßt sich vorläufig ziehen: Die höchsten Beamten dieser Stadt konnten jahrelang unbehelligt höchst salopp mit Steuergeldern umgehen. Hier wurde zuwenig kassiert, dort zuviel. In dem Dschungel von Vorgängen, mündlichen Vereinbarungen, telefonischen Absprachen und vertraulichen Aktennotizen blickte keiner mehr durch. Am wenigsten die, die alles kontrollieren müssten: Die Damen und Herren Stadträte.
Dies alles wurde nun einer eher verwirrten und sprachlosen Öffentlichkeit aufgetischt. Aber, anstatt auf den Putz zu hauen, „empfiehlt“ der Gemeinderat, die Verwaltung möge Besserung geloben. Dierks, breit und zuversichtlich in seinem Dezernentensessel, hat wirklich keinen Grund zur Beunruhigung.


Fragen, keine Antwort

Doch da wären noch ein paar Fragen, die geradezu nach Antworten schreien:

  • In wessen Interesse handelte Dierks?
  • Wer war und ist in die kleineren und größeren Kuhhändel verstrickt
  • Wer strich auf Kosten der Allgemeinheit welche Beträge ein?
  • Wer hat ein Interesse daran, die Vrogänge vorder Öffentlichkeit zu verheimlichen?

Fragen, um welche die gemeinderätliche Ermittlungskommission sich drückte. Kein Wunder: Man hätte politisch nachfragen müssen, nicht rein verwaltungstechnisch. Und vor politischen Recherchen und Konsequenzen scheute dieser Gemischtwarenladen der Konstanzer Parteienszene  zurück.
Wäre politisch argumentiert worden, hätte zum Beispiel eine große Epoche Konstanzer „Außenpolitik“ zur Debatte gestanden. Damals, Ende der Sechziger, wollte eine leibhaftige Universität gegründet sein. Da kamen ein paar Eingemeindungen, zur Hebung der Einwohnerzahlen, des Steueraufkommens und des Renomees, gerade recht. Beispielsweise Litzelstetten, mit dem zugkräftigen Namen „Mainau – Blumeninsel im Bodensee“. Der Bürergermeister, der bis zum 3o. 11. 1971 selbständigen Gemeinde, ein Mann namens Haunz, diente, wie praktisch, dem Mainaugrafen gleichzeitig als Prokurist. Welche Rolle der Herr Haunz, dessen Töchterlein später dem Grafen angetraut wurde, genau gespielt hat, als es um viel Geld und um noch mehr Prestige ging, wurde nicht bekannt.

Gräfliche Salons

Auf jeden Fall ging das Geschäft seinen Gang. In gräflichen Salons, in Sitzungen des Mainau-Stiftungsrates an der Seite des ehemaligen Marinerichters Filbinger, und wer weiß, in welchen Gremien und Lokalitäten sonst noch, wurde man handelseinig. Kein Konstanzer „Außenpolitiker“ wagte es, in solch illustrer Umgebung mit einigen hunderttausend Mark zu geizen. Wofür auch? Für einen lächerlichen Kanalanschluss ? Einer vom Schlage Dierks schiebt Skrupel mit leichter Hand beiseite.

Ergebnis dieser Konstanzer Expansionsphase: Eine große, schöne, weitbekannte Stadt. Mit Uni, Mainau und einer Menge gescheiter Professoren. Nur zu dumm, dass die Bürger dieser Provinzmetropole hin und wieder hinters Licht geführt werden müssen, damit sie schnallen, wie toll ihre Stadt eigentlich ist. Dumm auch, dass dies die Bürger einiges kostet.

Und heute, wo der ganze Saftladen aufzufliegen droht, wieso schlägt heute kein Volksvertreter (die Grünen mal ausgenommen, auch der rechte Polterer Eyermann lässt sich nicht so leicht ein X für ein U vormachen) eine Bresche? Wieso begnügen sich die Lokalpolitiker durch die Bank mit wachsweichen Empfehlungen?

Dierks: Der Typ

Ganz einfach, weil sie den Dierks insgeheim bewundern, zumindest respektieren. Er war es nämlich, der ihre nie zugestandenen Vorstellungen von politischem Handeln in die Tat umsetzte. Er war es, der kungelte, der Pfründe sicherte und Einflusssphären absteckte, der fünf gerade sein ließ, wenn etwas dabei heraussprang, der durchboxte, was durchzusetzen nicht war. Davon träumen sie doch alle, und nur dem Gerissensten gelingt es: In einem sorgfältig gehüteten Halbdunkel zwischen Amt und mafioser Verbrüderung dem „Wohl der Stadt“ ihr eigenes draufzusetzen. Dierks ist die hundertprozentige Verkörperung des Konstanzer Bürgers, der seine Geschäfte gern durch ein wenig Politik absichert.

Größer, schöner, gerissener

Wer von diesem Gemeinderat immer noch Gutes erwartet, rufe sich das Debakel der Wohnungsbau-Debatte vom Mai ins Gedächtnis: Eine vollendete Symbiose öffentlicher politischer Hasenfüßigkeit,  mit knallhartem Durchpeitschen von Eigeninteressen.

Die Krähen machen viel Lärm, aber die Augen hacken sie sich nicht aus. Und wenn sie mal einen serviert bekommen, der eine gute Portion Dreck am Stecken hat, heißt die Losung: Vorsicht, es könnte noch dicker kommen. Drum, Kollegen, lassen wir die Finger davon (und alles beim alten)!

Wie sagte doch Dierks vor der Ermittlungskommission? „Dies entspricht Konstanzer Brauch“ -HL-

 

Der Fall Dierks in Kürze: „Wir haben es heimlich gemacht“

Jetzt haben wir es also amtlich, mit Brief und Siegel und unterzeichnet von acht Gemeinderäten: Dem Wirken ihres Baudezernenten, Dr.Werner Dierks (CDU), verdankt die Stadt Konstanz einen Schaden, der in die Millionenhöhe gehen dürfte. Mit Sicherheit liegt er über 500 ooo DM: Dies ist die Summe, die Mainau-Graf Bernadotte für einen Anschluss an die Konstanzer Abwasserkanäle hätte berappen müssen, und die ihm Dierks mit einem Federstrich geschenkt hat. Aber die Ermittlungskommission stieß noch auf weite-re „Unregelmäßigkeiten“ und Schlampereien:

  • Für den Bau eines Schmutzwasserhauptsammlers“ in Litzelstetten bezahlte die Stadt 254 ooo DM zuviel (eigentlich hätte das Land diesen Betrag zu zahlen gehabt). Verantwortlich: Dr. Dierks
  • Über die halbe Million hinaus, die Dierks dem Grafen gnädig erließ, ist jahrelang versäumt worden, die „Blumeninsel“ nach Neu- und Umbauten entsprechend zur Kasse zu bitten. Der Schaden ist laut Bericht der Untersuchungskommission „derzeit nicht zu beziffern.“
  • An den Hauptsammler Litzelstetten sind weiter vier Kanäle angeschlossen. Benutzungsgebühren führte lediglich die Stadt Konstanz (!) selbst ab; Entgangene Einnahmen: 20-25 00o Mark.
  • Ab 1977 hätten in Litzelstetten Erschließungsbeiträge und Kanalbenutzungsgebühren nach dem Konstanzer Ortsrecht erhoben werden müssen. Dies ist unter Dierks Verantwortung nicht geschehen. „Der Stadt sind dadurch erhebliche Einnahmeausfälle entstanden“, heißt es im Bericht.

Soviel zu den Einnahmen, die der Stadt entgangen sind, und die andere Steuerzahler aufbringen mussten und müssen. Es wird vermutlich im Zuge der weiteren Arbeit des Ermittlungsausschusses noch mit einigen deftigen „Enthüllungen“ zu rechnen sein. Fest steht aber heute eines: Die großen und kleinen Herren konnten über Jahre in der Konstanzer Verwaltung wirtschaften, wie es ihnen gerade passte. Und kein Gemeinderat war da, der ihnen auf die Finger geklopft hätte. -HL-

 

Im Stern nur die halbe Story

Wer sich den STERN vom 15.10. 1981 vornahm, bemerkte unter der Rubrik PERSONALIEN auch eine kleine Konstanzer Notiz. Potenzopa Graf Spermadotte sehe nun zum siebten Mal Vaterfreuden entgegen – hieß es sinngemäß im STERN.

Der zweite Teil des Artikels, der dem STERN aus Konstanz zugeleitet wurde, fand keine Berücksichtigung. In ihm ging es um die Dierks-Bernadotte Affäre, bei der dem „obersten Landschaftspfleger Europas“ (so Bernadotte über Bernadotte) ca. 500 00o DM in den Hintern geblasen wurden.

Dierks: Neuester Stand:
„…man habe Fehler gemacht, aber wolle sich bessern“…. tönt’s beschwichtigend aus Verwaltungsecken. Was soll’s, der gerissene Baubürgermeister sitzt derweilen wieder frech und dreist im gemeinderätlichen Polstersessel. Damit das nicht so bleibt, hat die Freie Grüne Liste ein Stuttgarter Anwaltsbüro mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens beauftragt.  -HR-