Sichere Arbeitsplätze – gestern und heute

Seit letzter Woche schöpfen die 750 Siemens-Beschäftigten wieder Mut: Der Betrieb in der Bücklestraße wird weiter geführt, die Hoffnung auf sichere Arbeitsplätze steigt. Das war schon häufig in Konstanz so, wie ein „Nebelhorn“-Artikel aus dem Jahre 1984 zeigt. Damals ging es um Arbeitsplätze bei Stromeyer – und das ging letztlich schlecht aus, wie wir heute wissen. Haben wir aus dieser Geschichte etwas gelernt? 

Stromeyers sichere Arbeitsplätze

Am 29.März 1974 wehte die schwarze Fahne über dem Werksgelände der Firma Stromeyer in Konstanz. An diesem Tag meldete das Unternehmen Konkurs an, nachdem Vergleichsverhandlungen mit den Gläubigern (der Industriekreditbank AG, der Sparkasse Konstanz und den Großbanken Commerz, Dresdner und Deutsche Bank) gescheitert waren.

Den Forderungen in Höhe von 42,2 Millionen Mark stand damals ein geschätztes Vermögen von 22,5 Millionen gegenüber. Ein Gläubigerausschuß bestellte den Rechtsanwalt H.R. Schulze – der u.a. auch den spektakulären Borgward-Konkurs über die Runden gebracht hatte – zum Konkursverwalter. Zug um Zug wurden die Stromeyer-Werke in Hüfingen, Markdorf und Weiler stillgelegt, über 600 Arbeiter und Angestellte entlassen. Das Hauptwerk in Konstanz, darauf einigten sich die Gläubiger, sollte jedoch weiter produzieren – versprach man sich von einem funktionierenden Unternehmen auf Dauer doch mehr als von einem verschrotteten Betrieb.

„Keine armen Leute“

Stromeyers hatten derweil frühzeitig vorgesorgt. Am 1. Mai 1974 erzählte DGB-Kreisvorsitzender Erwin Reisacher, die Männer der Familie hätten ,,das in Jahrzehnten bei der Firma Stromeyer herausgewirtschaftete Vermögen längst vor dem Konkurs auf die Ehefrauen übertragen und so dem Zugriff der Gläubiger entzogen,“ Auch der Südkurier stellte fest, daß „die Mitglieder der Familie keine armen Leute“ sind. „Ihnen gehört im wesentlichen die bestehende Kommanditgesellschaft mit beträchtlichem Grundvermögen, das allerdings stark belastet ist. Hinzu kommen private Besitzungen in der Schweiz und in der Bundesrepublik.“ (6.4.74)

Das Geschäft mit der Angst

Rationalisiert und entlassen wurde bei Stromeyer immer schon, auch vor dem Konkurs. So standen 1971 in den Haupt-und Zweigwerken etwa 1700 Menschen in Lohn, zwei Jahre später waren es noch 1400 und kurz vor dem Konkurs beschäftigte die Firma noch 1186 Arbeiter und Angestellte. Nach der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens setzte sich dieser Trend fort – trotz all dem Geschwätz von den „sicheren Arbeitsplätzen“, das von da an der Konstanzer Öffentlichkeit und der Belegschaft vorgesetzt wurde. Am 3.4.76 vermeldete Konkursverwalter Schulze angesichts gestiegener Umsatzzahlen stolz: „Die 417 Arbeitsplätze sind gesichert“. Im Dezember 1981 stieß Bürgermeister Hansen ins gleiche Hörn, als er dem Gläubiger-Ausschuß seine Anerkennung dafür überbrachte, daß 325 Mitarbeiter bei Stromeyer einen sicheren Arbeitsplatz hatten. 1984 stehen gerade noch 250 Beschäftigte auf Stromeyers Lohnliste.

Aber immerhin: Mit der Angst kann man Geschäfte machen, die Umsatzgewinne des maroden Unternehmens mit Zukunft zeigen das deutlich: 1972/73 erwirtschaftete jeder Stromeyer-Beschäftigte 38 850 Mark Umsatz, 1978/79 waren es 97 000 Mark, und im vergangenen Jahr lag der Pro-Kopf-Umsatz bei über 129 000 Mark. Steigerung der Arbeitsintensität durch Angst auf Kosten der Arbeitsplätze – ein gängiges Unternehmerkonzept.

Autoren:jg/pw