Einstmals und jetzt: Erfolge im Kampf gegen Spekulation
2006 hob die Landesregierung das Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum in Uni-Städten auf – der Spekulation war Tür und Tor geöffnet. Kürzlich hat der Konstanzer Gemeinderat auf Antrag der SPD mehrheitlich beschlossen, sich für die Wiedereinführung einzusetzen. Das Thema ist so neu nicht: Schon vor 30 Jahren kritisierte Werner Allweiss (Freie Grüne Liste) die Zweckentfremdung, benannte die Spekulanten und forderte Gegenmaßnahmen. Hier sein Text, März 1983 im „Nebelhorn“ erschienen
Druck, sonst bewegt sich nichts!
Vor zwei Jahren erstattete der grüne Stadtrat Allweiss Anzeige gegen elf bekannte Hausbesitzer, die ihre Häuser und Wohnungen leerstehen ließen, illegal leerstehen ließen. Denn nach geltendem Recht ist bereits das unerlaubte Leerstehenlassen von Wohnraum über mehrere Monate hinweg eine rechtswidrige Zweckentfremdung.
Zunächst glaubte die Verwaltung, dem Problem, auf das sie durch die Anzeige gestoßen worden war, nach altbewährter Manier aus dem Wege gehen zu können, nämlich durch gebührende „Bearbeitungsdauer“, sprich Nichtbeachten, durch stillschweigende Duldung oder nachträgliche Genehmigung.
Erst mehrmaliges Nachhaken der Freien Grünen Liste, scharfe Briefe an OB Dr. Eickmeyer und die zuständigen Amtsleiter, das Aufgreifen eines speziellen Falles durch die Jusos und das NEBELHORN und die Hausbesetzerprozesse, bei denen die Versäumnisse der Konstanzer Verwaltung aufgerollt wurden, brachten Wirbel in die Amtsstuben. Zur gleichen Zeit machte sich der neugewählte Baubürgermeister Fischer daran, das Baudezernat in den Griff zu bekommen und die dort vorgefundene „Erblast“ abzutragen. Es galt, die hochentwickelte Selbstherrlichkeit gewisser Amtsstellen herunterzuschrauben, die oftmals noch mit Trägheit und sozialer Blindheit geschlagen und in Verfilzung verstrickt waren. Originalton Bürgermeister Fischer: „Es ging zu wie auf dem Balkan. Ich musste zuerst die totale Balkanisierung im Baudezernat beseitigen“.
Erste Erfolge
Zunächst flatterte dem Besitzer des seit Jahren leerstehenden Anwesens Theodor-Heuss-Straße 24 ein Bußgeldbescheid von 3000 Mark wegen unerlaubter Wohnungsraumzweckent- fremdung ins Haus. Der Besitzer legte Widerspruch ein und jagt derzeit durch die Instanzen, bisher ohne Erfolg. Einen weiteren Bußgeldbescheid erhielten unlängst die beiden Vorbesitzer des Hauses Untere Laube 29, die Herren Dittus und Kues.
Der Klick auf einen der Marker zeigt das jeweilige Gebäude.
Konstanz – Erfolg im Kampf gegen Spekulation auf großer Karte
Der Stein, einmal ins Rollen gebracht, rollt nun munter weiter. Einige Hausbesitzer wurden — wie beabsichtigt — aufgeschreckt und ließen eilends ihre Häuser und Wohnungen renovieren und haben sie in der Zwischenzeit vermietet. Für andere Gebäude, wie Rheingutstr. 22, Torgasse 8 und verschiedene posteigene Gebäude in der Dammgasse und an der Marktstätte wurde leider eine Zweckentfremdungsgenehmigung durch die Stadt Konstanz erteilt. Bei anderen seit Jahren leerstehenden Häusern des Herrn Engert (Obere Laube 71, Petershauserstraße 20 und 22) laufen zur Zeit noch Verhandlungen.
Um das Aufgabengebiet der unerlaubten Wohnraumzweckentfremdung nicht völlig der Freien Grünen Liste oder anderen Initiativen zu überlassen, hat die Stadtverwaltung endlich selbst ihre Augen aufgemacht und ist von sich aus auf weitere ärgerliche Fälle gestoßen. Entsprechende Ordnungswidrigkeitsverfahren wurden eingeleitet, so z.B. bei den Häusern Alter Wall 1, Gottlieberstr. 1, Raiffeisenstr. 2, Tirolergasse 10 (Umnutzung nach Neubau) — um nur einige zu nennen.
Alles in allem kann heute von einer entschiedenen, sozial ausgerichteten Wohnungspolitik der Stadt Konstanz noch nicht gesprochen werden, doch sind erste gute Ansätze verwirklicht worden, um das soziale Ärgernis leerstehender Häuser und unerlaubter Umnutzungen zu beseitigen. Allerdings muss noch einiges getan werden, damit all denen geholfen wird, die verzweifelt nach einer noch bezahlbaren Wohnung suchen oder denen, die in menschenun- würdigen Behausungen leben müssen. Deshalb wird sich die Freie Grüne Liste für weitere Maßnahmen zur Beseitigung der Wohnungsnot in Konstanz einsetzen:
1) Umzugsprämien für Mieter, die in einer für sie zu großen Wohnung leben,
2) drastische Erhöhung der Zweitwohnungssteuer,
3) Vergabe städtischer Grundstücke ausschließlich in Erbpacht,
4) Unterstützung von Selbsthilfeorganisationen im Wohnungsbau,
5) Abkehr von Kahlschlag- und Luxussanierung und vom Bauherrenmodell.
Autor: Werner Allweiss
Diese Stelle hat mir besonders gut gefallen:
„Es ging zu wie im Balkan. Ich mußte zuerst die totale Balkanisierung im Baudezernat beseitigen“.
So der neue Baubürgermeister im Artikel damals. Hat wohl nicht viel gehalten von seinem Vorgänger. Der wäre auch noch ein dankbares Opfer für diverse Nebelhornveröffentlichungen.
Wolfram