Die Osner-Südkurier-Philharmonie-Affäre (2. Teil)

Die Vorgänge sind sattsam bekannt: Der „Südkurier“ hat zum Jahreswechsel mit aller Vehemenz auf die Intendantin der Südwestdeutsche Philharmonie, Insa Pijanka, geschossen und getroffen. Die Stadtverwaltung sowie der Gemeinderat haben dazu wacker geschwiegen. Nachdem Frau Pijanka den Bettel entnervt hingeworfen und einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hat, rückte die Stadt gestern mit einer Untersuchung heraus, die die Intendantin weitgehend entlastet. Der reinste Tragödienstadel …

+++ Dieser Text enthält auch satirische Elemente +++

Der „Südkurier“, das nie ruhende Gewissen des handels- und gewerbetreibenden Teils der Konstanzer Öffentlichkeit sowie aller Vereinsmeier, hat tief gegraben und ist auf Schmutz gestoßen, widerlichen, abstoßenden Unrat, vor sich hin gärend im offenen Herzen der Stadt. Dabei entstand etwa folgendes Bild im Kollektivbewusstsein der Konstanzer*innen: Die Intendantin der Philharmonie hat abgeschrieben; noch schlimmer: sie hat sich um Künstler und gute Programme, aber nicht um den Kilometerstand des orchestereigenen Dienstlieferwagens gekümmert; und noch viel schlimmer: sie hat Abonnent*innen vergrätzt (indem sie Musik von Komponisten spielen ließ, die nach 1850 geboren wurden, Skandal, so etwas gehört sich in Konstanzer Konzerten einfach nicht, mit Brahms ist gefälligst Schluss!). Außerdem hat sie noch weitere unsagbare Schandtaten begangen, für die sie eigentlich ohne Narkose an Kampfhunde mit schmucken „Südkurier“-Tattoos verfüttert gehörte.

Kein Leben nach dem Tode

Kurzum: Insa Pijanka hat die Demokratie in den Schmutz gezogen, das Vertrauen der Öffentlichkeit missbraucht und Karriere, Bürgerrechte und ein etwaiges Leben nach dem Tode verwirkt.

Das ist das gute Recht des „Südkuriers“, auch wenn die Vehemenz, mit der vor allem dessen Kulturchef Johannes Bruggaier gegen Frau Pijanka vorging, eher an den Hass eines abgewiesenen Liebhabers erinnerte. Das ist er natürlich nicht, sondern es geht ihm allein um Moral und Anstand im Kulturgeschäft, und jedwede persönliche Zu- oder gar Abneigungen spielen bei ihm garantiert keine Rolle, schon gar nicht, wenn es um das Orchester und dessen Verwaltung geht. Ihm ist es einzig und allein darum zu tun, hellwach das Wächteramt der Presse im Interesse einer schläfrigen Öffentlichkeit wahrzunehmen. Ein warmes Lob ihm und seinen Kollegen vom „Südkurier“ für ihre (wovon auch immer) unabhängige Berichterstattung.

Wie hat der Arbeitgeber von Frau Pijanka reagiert, und speziell ihr Vorgesetzter, Andreas Osner, seines Zeichens nicht nur Bürgermeister für Soziales, Bildung und Kultur und erster Beigeordneter der Stadt Konstanz, sondern auch noch in der Wolle gefärbter, entscheidungsfroher Sozialdemokrat und als solcher mit einem wachen Gerechtigkeitssinn in Sachen Arbeitnehmerrechte ausgestattet? Hat er gerufen: Stoppt die Hetzjagd! Jetzt werden wir die Vorwürfe erst einmal untersuchen (oder untersuchen lassen), und bis zum Beweis des Gegenteils gilt unsere Arbeitnehmerin Insa Pijanka als unschuldig. Wer einen Stein auf sie wirft, wirft diesen auch auf mich?

Im Rathaus: Stille

Etwas in dieser Richtung hat er nicht getan, sondern sich ganz und gar unvornehm zurückgehalten, statt sich in der Öffentlichkeit schützend vor Insa Pijanka zu stellen, wie sich das für einen aufrechten Sozi und anständigen Arbeitgeber gehört hätte. War es ihm vielleicht sogar ganz recht, Insa Pijanka, gegen deren Wiederwahl er sich ausgesprochen hatte, in der Schmuddelecke zu sehen? Oder wagte er es nicht, gegen den allmächtigen „Südkurier“ aufzumucken?

Wie gesagt: Den „Südkurier“ trifft keine Schuld, es ist dessen gutes Recht, sein Süppchen zu kochen, wie er will. Aber Politik und Verwaltung haben sich dem „Südkurier“ willig zu Füßen gelegt und nicht etwa nach Fakten geforscht – oder Frau Pijanka auch nur das Wort erteilt. Das hat etwas von einem Geheimprozess an sich, von dessen Verfahrensschritten die Angeklagte nichts erfährt, ehe ihr Urteil öffentlich verkündet wird.

Er kann auch anders

Dass er durchaus auch ein verantwortungsvoller Arbeitgeber sein kann, bewies Osner 2019, als er Insa Pijanka gegen den „Südkurier“ in Schutz nahm, der sich damals gegenüber der noch neuen Intendantin ganz knapp im Ton vergriffen hatte: „Es ist bedauerlich, dass Gerüchte über Führungsstil und Persönlichkeit der Intendantin an die Presse getragen werden. Das schadet der Institution und geht in Teilen weit unter die Gürtellinie. Auf ein solches Niveau sollte sich niemand begeben“ (siehe hier).

Dieses Mal hat er sich nicht sich mal geräuspert, sondern zugeschaut. Warum eigentlich? War er von Insa Pijankas Schuld überzeugt, obwohl an den Vorwürfen gegen sie, wie wir jetzt wissen, wenig dran war? Oder kamen ihm die Anschuldigungen gegen sie ganz recht, weil er sie ohnehin schon länger loswerden wollte? Wer hat hier eigentlich wen munitioniert?

Unschuldig – und doch den Job verloren

Die Ex-Intendantin hat einen Aufhebungsvertrag unterschrieben und ist formal gesehen freiwillig gegangen. Dass es sich hierbei aber um eine erzwungene Freiwilligkeit handelte, pfeifen die wenigen verbliebenen Spatzen von den Dächern.

Insa Pijanka ist seit gestern von den schwerwiegendsten Vorwürfen entlastet, und der Rest sind Peanuts – für die Abschreiberei von Programmtexten hätte es maximal einer einfachen Ermahnung bedurft, und der Rest sind bürokratische Petitessen, wie sie vermutlich in jeder Konstanzer Kulturinstitution so oder so ähnlich Tag für Tag vorkommen.

Wahrscheinlich sehen sich jetzt alle Seiten wieder mal bestätigt, von der CDU, die es schon immer gewusst hat, bis zum schweigsamen Andreas Osner. Presse wie Amtsleitung gehen zum Alltagsgeschäft über, irgendwann kommt eine neue Intendanz, und irgendwo hinter den Kulissen werden schon wieder die Messer gewetzt, gegen wen auch immer. Vielleicht ja sogar gegen Bürgermeister Osner selbst?

Wünschen wir ihm, dass er in der Stunde, in der seine Feinde ihre Messer zücken, bessere Fürsprecher findet, als er selbst es für Insa Pijanka war.

Insa Pijanka war uns gegenüber gestern zu keinerlei Stellungnahme bereit.
Text: Harald Borges (Disclaimer nach journalistischem Standard: Sein richtiger Name war meinen Eltern bekannt), Bild: O. Pugliese.

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