Save me fordert Gleichbehandlung aller Flüchtlinge
Derzeit gibt es eine große Welle der Solidarität mit geflüchteten Menschen aus der Ukraine. Save me erinnert daran, dass Flüchtende aus nichteuropäischen Ländern wesentlich höhere Hürden überwinden müssen, um in Deutschland aufgenommen und integriert zu werden. Daher lautet die Forderung in einem offenen Brief an Lokal-, Landes- und BundespolitikerInnen: Es darf keine unterschiedliche Behandlung von nach Deutschland Geflohenen geben, denn es gibt keine Menschen erster und zweiter Klasse. Hier der Brief in vollem Wortlaut.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Putins Krieg in der Ukraine empört und beschäftigt uns alle, löst Ängste und Sorgen aus vor dem, was noch auf uns alle zukommen kann. Die ukrainischen Menschen, die bisher in der Ukraine bleiben, kämpfen und ihr Land und ihre Werte verteidigen, verdienen größten Respekt und Bewunderung. Die vielen Menschen, die aus großer Not und Verzweiflung ihr Land verlassen und für sich und ihre Kinder Sicherheit suchen, brauchen unsere volle Solidarität und Hilfsbereitschaft, die zum Glück in unserer Bevölkerung in großem Maße spürbar ist.
Wir von Save me unterstützen selbstverständlich alle, die um Unterstützung, Beratung und Begleitung bitten, bringen Hilfe suchende und Hilfe anbietende Menschen zusammen. So wie wir das seit langem für alle Geflüchteten tun. Wir stehen vor einer humanitären Katastrophe ungekannter Wucht, unfassbaren Ausmaßes – und das alles in beunruhigender geografischer Nachbarschaft. Notfallmaßnahmen sind geboten.
Was wir zunehmend mit großer Sorge sehen, sind die Unterschiede, die zwischen den ukrainischen Flüchtlingen auf der einen Seite und den syrischen, afghanischen, iranischen, somalischen u.a. Geflüchteten auf der andern Seite gemacht werden. Die Geflüchteten, die seit 2015 gekommen sind, hatten neben ihren Fluchttraumata viele bürokratische Hürden zu nehmen. Ihnen wurden und werden viele Steine in den Weg gelegt, die ihre Integration erschweren. Nicht alle hatten Zugang zu Sprachkursen, viele erhielten keine Arbeitserlaubnis, keinen freien Zugang zu medizinischer Versorgung, konnten und können bis heute nicht ihre Familien nachholen. Der kostenlose Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln wurde gar nicht angedacht. Wir erinnern uns an eine Syrerin, die ganz am Anfang in Konstanz aus Unwissenheit mit einer abgelaufenen Fahrkarte im Stadtbus ertappt wurde, und 60 € Strafe zahlen musste, während jetzt den UkrainerInnen wiederum aus verständlichen Gründen komplett freie Nutzung aller Verkehrsmittel erlaubt ist.
Auch das Dublin-Verfahren und die Regeln für internationalen Schutz in anderen EU-Ländern für UkrainerInnen sind ja derzeit ausgesetzt. Die ukrainischen Geflüchteten können selber wählen, wo sie hingehen und bleiben wollen im Gegensatz zu den Geflüchteten anderer Länder. Auch müssen diese zwei Jahre in Gemeinschaftsunterkünften leben; eine Möglichkeit, privat zu wohnen, gibt es erst danach oder mit ihrer Anerkennung. Für sie ist schwer verständlich, dass die UkrainerInnen in privaten Wohnungen oder in Gemeinschaftsunterkünften für 6 Monate unterkommen, während sie weiterhin große Schwierigkeiten haben. Zurzeit helfen wir zwei Afghanen, eine Wohnung zu finden. Sie haben eine Aufenthaltsberechtigung, arbeiten, sind zuverlässig und ordentlich und verlieren durch Eigenbedarfskündigung ihre Wohnung nach 4, 5 Jahren. Sie haben nach ihrem Aufenthalt in der Gemeinschaftsunterkunft die Stadt nicht in Anspruch genommen, brauchen aber jetzt ihre Hilfe, weil es äußerst unwahrscheinlich ist, trotz aller Bemühungen bis Mai eine Wohnung zu finden. Beim Hilfegesuch an die Stadt heißt es als erstes: jetzt müssen wir uns erst um die Ukrainer kümmern und sie sollen sich im Mai dann wieder melden. Laut Südkurier gibt es 30 freie Plätze in Anschlussunterkünften für Ukrainer.
Viele der schon länger hier lebenden Geflüchteten registrieren sehr wohl den unterschiedlichen Umgang und haben uns gegenüber bereits die Befürchtung geäußert, dass sie Flüchtlinge „zweiter Klasse“ sind.
Es darf nicht sein, dass die Flüchtlinge, die schon früher kamen und sehr viele Hürden nehmen mussten, jetzt benachteiligt werden. Auch für sie ist die Kriegsgefahr wieder näher gerückt und sie spüren alte Sorgen und Ängste. Wir von Save me setzen uns dafür ein, dass wir und die Behörden die Geflüchteten aller Nationalitäten weiterhin im Blick haben und die schon länger hier Lebenden nicht aus den Augen verlieren und sie weiterhin unterstützen. Alle Menschen, die der Gefahren ihres Heimatlandes entflohen sind, bedürfen unserer Hilfe. Dazu gehören neben der Unterbringung auch die Bereiche: Impfen wegen der Corona-Epidemie, die deutsche Sprache lernen, möglichst sofortiger Schul- und Kita-Besuch, medizinische und psychotherapeutische Betreuung, Arbeit und Ausbildung.
Wir danken Herrn Dr. Osner sehr, dass er auf der Kundgebung in Konstanz am 12.3. im Namen der Stadt die Gleichbehandlung aller Flüchtlinge und den vom Krieg betroffenen Ukrainern hervorgehoben hat. Wir von Save me begrüßen auch das Angebot des Bürgermeisters, eine koordinierende Kommunikationsplattform mit den ehrenamtlichen Gruppen zu aktivieren, um Erfahrungen und Netzwerke der Zeit nach 2015 maximal nutzbar zu machen.
Wir hoffen, dass Sie an unserer Seite stehen und bitten um Ihre Unterstützung!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Marion Mallmann-Biehler und Hildegard Gumpp
Vorsitzende Save me Konstanz