Gemeinderat: Jetzt geht’s um die Wurst … äh, um unser Wasser, unser Gas …
In dieser Woche stehen gleich zwei Gemeinderatssitzungen an, in denen einige wegweisende Entscheidungen fallen werden: In der zweiten Sitzung am Donnerstag geht es vor allem darum, ob der Verkauf einer Sperrminorität an den Stadtwerken den Konstanzer Bürger*innen zur Entscheidung vorgelegt wird oder nicht.
Wegen der Wichtigkeit der Entscheidung über den Einstieg des Thüga-Konzerns bei den bisher zu 100% in städtischem Besitz befindlichen Stadtwerken Konstanz (seemoz berichtete ausführlich) hat die Linke Liste Konstanz (LLK) den Antrag gestellt, einen Bürgerentscheid durchzuführen. Ihrer Ansicht nach sollen über diese lebenswichtige Frage die Betroffenen, also die Konstanzer*innen, bestimmen.
Die Sitzung des Gemeinderates am Donnerstag ist öffentlich und findet ab 16.00 Uhr im Ratssaal in der Kanzleistraße 15 statt. Voraussichtlich wird dieses Thema bereits bald nach Beginn der Sitzung behandelt. Es steht zu erwarten, dass der Ratssaal gut besucht wird und dass es auch in der Bürgerfragestunde um ca. 17.00 Uhr zu einigen leidenschaftlichen Äußerungen zu diesem Thema kommen dürfte.
Die Unterlagen zur Sitzung, aus denen im Folgenden ausgiebig zitiert werden wird, finden Sie hier.
Worüber wird abgestimmt?
Die LLK hat folgenden Antrag gestellt: „Der Gemeinderat beschließt, die Entscheidung über eine strategische Partnerschaft zwischen der ThüGa (ThüGa Holding GmbH & Co KG) und der Stadtwerke Konstanz GmbH der Bürgerschaft zu übertragen (Bürgerentscheid).“
Dieser Antrag wird so begründet:
„Statt einen Bürger*innenrat hinsichtlich dieser zukunftsbestimmenden Entscheidung einzurichten, soll die Bevölkerung befragt werden. Die Gemeindeordnung sieht für bindende Voten der Bürger*innen den Bürgerentscheid vor. Die LLK möchte, dass die Stimme der Bevölkerung zählt – nicht nur zum Gegenstand einer unverbindlichen Mitbestimmungsmaßnahme wird, sondern abschließend und verantwortlich über die grundlegende Frage eines Verkaufs von Gesellschaftsanteilen befindet.
21 Abs. 2 GemO lässt einen solchen Bürgerentscheid zu. Die Materie ist nicht gem. § 21 Abs. 2 GemO dem Bürgerentscheid unzugänglich. Es handelt sich dabei auch um das richtige Instrument: Grundsatzfragen sollen demokratisch in besonderem Maße legitimiert gefällt werden – die unmittelbare Abstimmung der Bürger*innen genießt die höchsten Weihen demokratischer Legitimation.“
Bürgerentscheid ist zulässig
Die Verwaltung, die natürlich den Einstieg der Thüga bei den Konstanzer Stadtwerken energisch vorantreiben möchte, antwortet darauf, dass ein solcher Bürgerbescheid in diesem Fall tatsächlich zulässig wäre. Bürgerentscheide dürfen nämlich nicht zu allen Fragen stattfinden. Die Gemeindeordnung Baden-Württemberg nennt Fälle, über die nur der Gemeinderat oder der Oberbürgermeister entscheidet, und in denen die Bürger*innen nichts zu sagen haben, zum Beispiel „Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung“ oder die „Feststellung Jahresabschluss und Gesamtabschluss der Gemeinde und Jahresabschlüsse der Eigenbetriebe“.
Im Fall des geplanten Thüga-Einstiegs darf sich der Gemeinderat aber für einen Bürgerentscheid aussprechen und die Entscheidung den betroffenen Menschen überlassen.
Welche Hürden gibt es?
Allerdings dürfte es nicht ganz einfach werden, die entsprechende Mehrheit im Gemeinderat zu erreichen. Hierzu die Stadtverwaltung: „Erforderlich hierfür ist eine Mehrheit von 2/3 aller Mitglieder des Gemeinderats (inklusive des Oberbürgermeisters). Für die Stadt Konstanz bedeutet dies, dass mindestens 28 Mitglieder des Gemeinderats zustimmen müssen.“
Ob diese Mehrheit für den Bürgerentscheid zustande kommt, wird sich am Donnerstag zeigen.
So funktioniert ein Bürgerentscheid
Sollte der Gemeinderat sich am Donnerstag mit der erforderlichen Mehrheit für den Bürgerentscheid aussprechen, geht es nach Angaben der Verwaltung so weiter:
„Wahlberechtigt sind bei einem Bürgerentscheid alle EinwohnerInnen, die ihren Hauptwohnsitz im Stadtgebiet Konstanz haben, über 16 Jahre alt sind und eine EU-Bürgerschaft innehaben. Sie müssen seit mindestens 3 Monaten in der Kommune wohnhaft sein.
Verfahren zur Durchführung des Bürgerentscheids
[the_ad id=“94028″]Der Gemeinderat muss im ersten Schritt eine Frage formulieren und verabschieden, die mit Ja oder Nein zu beantworten ist. Nach Festsetzung des Abstimmungstages (dieser muss spätestens am 34. Tag vor der Wahl bekanntgemacht werden) muss bis zum 20. Tag vor dem Bürgerentscheid eine schriftliche Information veröffentlicht werden, in welcher die innerhalb der Gemeindeorgane (GR/OB) vertretene Auffassung, aber auch abweichende Auffassungen für die Bürger, auf die die Verantwortung für die Sachentscheidung übergeht, dargestellt sein müssen.
Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Gemeinderatsbeschlusses, sofern die Mehrheit die Frage in eine Richtung mit mindestens 20% der Stimmberechtigten beantwortet hat. Bei einem angenommenen Einwohnerstand von 68.333 wahlberechtigten EinwohnerInnen (Stand 31.12.2022) wäre die 20%-Hürde mit 13.667 erreicht.
Wenn dieses Quorum nicht erreicht ist, muss sich der Gemeinderat unter Berücksichtigung aller Argumente neu mit der Fragestellung befassen.
Zeitrahmen für die Vorbereitung eines Bürgerentscheids
Die Stadtverwaltung rechnet aus organisatorischen Gründen mit einem Vorlauf von mindestens 3-6 Monaten ab Beschlussfassung des Gemeinderats über eine Fragestellung. Die Verabschiedung einer Fragestellung in der Sitzung des Gemeinderats im September würde folglich bedeuten, dass der Bürgerentscheid frühestens Ende des Jahres 2023, realistischer Mitte des Jahres 2024 stattfinden kann.“
Der Bürgerentscheid selbst wäre also für die Verwaltung und den Gemeinderat bindend, allerdings nur, wenn am Ende genügend Bürger*innen an die Urne gehen.
Angesichts der Mehrheitsverhältnisse steht zu vermuten, dass es im Gemeinderat keine Mehrheit für den beantragten Bürgerentscheid geben wird. Vor allem im bürgerlichen Lager stehen die meisten Rät*innen fest hinter der Verwaltung (sofern sie den Laden nicht am liebsten gleich ganz privatisieren würden).
Kommt vielleicht ein Bürgerbegehren?
Sollte der Bürgerentscheid vom Gemeinderat abgelehnt werden, bleibt immer noch der Weg über ein Bürgerbegehren. Damit könnten die Konstanzer*innen den Gemeinderat zwingen, jenen Bürgerentscheid, den der Gemeinderat abgelehnt hat, doch noch durchzuführen.
Auch für ein solches Bürgerbegehren legt die Gemeindeordnung die Hürden hoch: „Das Bürgerbegehren muss von mindestens 7 vom Hundert der Bürger unterzeichnet sein, höchstens jedoch von 20.000 Bürgern.“ Bei den erwähnten 68.333 wahlberechtigten Konstanzer EinwohnerInnen wären das also knapp 4.800 Unterschriften, die zusammenkommen müssten. Auch die Frist ist klar, richtet sich das Bürgerbegehren gegen einen Beschluss des Gemeinderats, muss es innerhalb von drei Monaten nach der Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht sein.“
Die Konstanzer*innen dürfen am Donnerstag also höchst gespannt sein, wer sich in der Frage, ob die Stadtwerke in ihrer Hand der Stadt Konstanz bleiben oder mit einem externen Unternehmen geteilt werden, auf welche Seite schlägt.
Text: O. Pugliese
Bild: Pit Wuhrer
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Das, Minia Joneck, ist eine der Fragen, die am Donnerstag im Gemeinderat gestellt werden müssen.
Und: Wieso sollte die Thüga-Beteiligung überaupt erfolgen? – Um sich „Kompetenz bei der Energiewende“ einzukaufen, wie an anderer Stelle jüngst formuliert wurde? Halte ich für ein recht schwammiges und zugleich ziemlich armseliges Argument.
Weshalb sollte eine derart schicksalhafte Entscheidung ohne Beteiligung der Bürgerschaft, im Schnelllverfahren durchgezogen werden.
Unter Zeitdruck!!!!