Fridays for Future, BUND und NABU: „Stoppt den Ausverkauf der Stadtwerke Konstanz!“
Unter dem Deckmantel des Klimaschutzes will die Stadt Konstanz einen Teil der Gewinnsparten der Stadtwerke an den Münchner Energiekonzern Thüga AG verkaufen. Gewinne machen die Konstanzer Stadtwerke traditionell in den Bereichen Energie, Telekommunikation und, besonders sensibel, Trinkwasser. Nun sollen diese Geschäftsbereiche in eine neue Tochtergesellschaft ausgegliedert werden – ein Vorhaben, das Fridays for Future Konstanz, der Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) entschieden ablehnen.
Die wichtigsten Gründe haben die drei Umwelt- und Klimaschutzorganisationen in einer gemeinsamen Stellungnahme veröffentlicht. Hier der Wortlaut:
Öffentliche Kontrolle statt externer Gewinnerwartung
Die städtische Daseinsvorsorge mit Strom, Wärme und Wasser muss vollständig in kommunaler Hand bleiben. Momentan kann der Gemeinderat bei wichtigen Entscheidungen, die die Stadtwerke betreffen, dem Aufsichtsrat Weisungen erteilen. Bei der nun geplanten Tochtergesellschaft (Stadtwerke Konstanz Energie GmbH) wird dies ohne Zustimmung der Thüga nicht mehr möglich sein. Damit würden unsere gewählten Vertreter:innen ihre Kontrolle über unsere öffentliche Daseinsvorsorge weitgehend verlieren und Entscheidungen immer weniger transparent ablaufen.
Um die fest vereinbarte jährliche Rendite der Thüga zu finanzieren, müssten entweder die Preise erhöht, zusätzliche Dienstleistungen verkauft oder außerhalb der Stadt expandiert werden. Eine solche Perspektive lehnen wir ab. Hauptzweck der Stadtwerke muss aus unserer Sicht die zuverlässige und bezahlbare Versorgung der Konstanzer:innen mit Energie, Wasser und Mobilität bleiben.
Kooperation auf Augenhöhe mit anderen Energiewende-Akteur:innen
Als Grund für den Verkauf wird häufig angeführt, dass die Stadtwerke mit einem externen Partner kooperieren müssten, um die Energiewende zu stemmen. Das sehen wir auch so. Doch Kooperation heißt nicht Verkauf!
Die Stadtwerke müssen kooperieren, aber gemeinsam mit anderen Akteur:innen der Energiewende – und das auf Augenhöhe. Die Thüga mit ihrer Fixierung auf Wasserstoff als Heizenergie und das Auslaufmodell Erdgas ist dabei der falsche Partner. Gerade beim für Konstanz wichtigen Thema der Seewärmenutzung wären andere Kooperationen sinnvoller.
Kein Renditedruck auf unsere Grundversorgung
Durch den Teilverkauf läge auf der Konstanzer Grundversorgung mit Energie und Wasser ein noch höherer Gewinndruck – und 25 Prozent dieser Gewinne würden an den neuen Gesellschafter Thüga abgeführt.
Wir sind für eine langfristige, wirtschaftlich und gesellschaftlich nachhaltige Ausrichtung der Stadtwerke.
Ausschließlicher Verkauf der Gewinnsparten
[the_ad id=“94028″]Die Stadtwerke Konstanz haben wie alle Stadtwerke Gewinn- und Verlustsparten. Die klassischen Gewinnsparten sind die Strom- und Gasversorgung, der dazugehörige Netzbetrieb, die Trinkwassergewinnung und -versorgung, dieTelekommunikation und als einziges Kerngeschäft, das nicht verkauft werden soll, die Fähren. Verluste machen die Konstanzer Stadtwerke hingegen regelmäßig im Bereich der Schwimmbäder und der Stadtbusse. Bei Stadtwerken ist es üblich, dass die Gewinne der einen Sparte die Verluste der anderen querfinanzieren.
Der von der Stadt angestrebte Teilverkauf würde nahezu alle Gewinnsparten betreffen. Es stünden den Stadtwerken damit künftig nur noch drei Viertel der Gewinne zur Verfügung, um die gleichen Verluste bei den Bädern und dem Busverkehr auszugleichen.
Kurz gesagt: Entweder die Stadtwerke erhöhen bedeutend ihren Gewinn oder es steht weniger Geld für unseren Busverkehr und die Bäder zur Verfügung.
Rückkauf fraglich
Für den Kaufvertrag ist eine sogenannte „Change of Control“-Klausel vorgesehen. Das bedeutet: Würde es zu einem Investorenwechsel bei der derzeit von verschiedenen Stadtwerken gehaltenen Thüga kommen, könnte die Stadt Konstanz die Anteile von der Thüga zurückkaufen. Ob das im Ernstfall klappt, ist aber mehr als fraglich. So haben Privatisierungen und anschließende Rekommunalisierungen eine lange Geschichte von Kostenexplosionen beim Rückkauf. Dies kann man momentan bei den Dresdner Stadtwerken und der Thüga beobachten, deren Rückkaufversuch vier Jahre gedauert hat und am Ende fast 50 Prozent teurer war als erwartet.
Außerdem ist fraglich, ob die Stadt Konstanz zum Zeitpunkt des Rückkaufs innerhalb von sechs Monaten das nötige Geld zur Verfügung hätte, um die Anteile zurückzukaufen.
Nein, die Thüga ist kein kommunaler Betrieb wie unsere Stadtwerke!
Von Seiten der Stadt wird gerne das Argument vorgebracht, durch den Verkauf an die Thüga würde sich nur wenig ändern, diese sei schließlich im Eigentum anderer Kommunen. Wir widersprechen dieser Sichtweise entschieden. Unsere Stadtwerke werden derzeit allein durch den Gemeinderat kontrolliert und dieser entscheidet auch über die strategische Ausrichtung. Mit der Thüga käme nun aber ein Investor mit ins Boot, der zwar formal kommunal ist, in seiner Zielsetzung aber klar gewinnorientiert. Die Thüga mit ihrer verschachtelten Firmenstruktur und dem klaren Ziel der Beteiligungen als Renditebringer ist für uns kein Partner auf Augenhöhe. Und auch die kommunale Kontrolle der Thüga ist am Ende vor allem theoretischer Natur.
Wer ist die Thüga?
Die Thüga ist ein Energiekonzern, der sich bei rund 100 Stadtwerken mit Anteilen von meist zwischen 25 und 49 Prozent eingekauft hat. Den Stadtwerken verkauft die Thüga diverse Dienstleistungen und Beratungen und erhält zudem eine Gewinnbeteiligung in Höhe ihrer Anteile. Im Jahr 2009 wurde die Thüga von E.on zurückgekauft, seitdem ist sie wieder in kommunalem Besitz. Bezüglich der Energiewende fällt die Thüga vor allem dadurch auf, dass sie mit diversen öffentlichen Ablenkungsmanövern versucht, diese zu blockieren. Dazu passend ist die Thüga einer der führenden Lobbyisten für Erdgas in Deutschland. Gleiches gilt leider auch für die Frankfurter Stadtwerke Mainova, deren Vorstand Constantin Alsheimer 2024 als Vorstandsvorsitzender zur Thüga AG wechseln soll.
Zudem werben Thüga und Mainova massiv für die Verwendung von Wasserstoff zum Heizen. Einem Trick derErdgaslobby, um die Gasnetze länger laufen lassen zu können.
Die Thüga ist momentan, wenn auch über Umwegen, in rein kommunalem Besitz. Doch ob das immer so bleibt, ist sehr ungewiss. So suchte man zum Beispiel im Jahr 2012 aktiv im arabischen Raum nach einem institutionellen Investor, der bei der Thüga mit einsteigen könnte, um den Kauf weiterer Stadtwerkebeteiligungen zu finanzieren. Im selben Jahr dachte die Thüga über den Bau gemeinsamer Kraftwerke mit dem russischen Gasversorger Gazprom nach.
Eines ist jedenfalls klar: Die Thüga ist ein rein gewinnorientiertes Unternehmen ohne lokale Bindung und ohne erkennbare Ambitionen, die Energiewende als Vorreiter zu gestalten.
Text: Fridays for Future Konstanz / BUND / NABU
Foto: Pit Wuhrer
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17.07.2023 | Gemeinderat: Jetzt geht’s um die Wurst … äh, um unser Wasser, unser Gas …
Hätten wir vor 2-3 Jahren bereits die Struktur einer Energie GmbH mit Thüga als Gesellschafterin gehabt, dann würde ich die Chance bei größer 99% sehen, dass die zweite Gaspipeline tatsächlich gebaut worden wäre. Die Entscheidungsfindung (AR + GR Übernahme + Öffentlichkeitseinbindung) wäre dann wohl komplett anders gelaufen. Das wäre dann ein fossiles „stranded asset“ für die Nachfolgegeneration geworden.
@Frank:
Ja, Gesellschafterversammlung ist weiter möglich, aber die Entscheidungen dort sind anders gelagert als im Aufsichtsrat. Zudem ist dies kein Medium, in dem es sinnvolle Sachdiskussionen (mit GR-Mitgliedern) geben kann. Für die Energiewende ist der Aufsichtsrat teils wichtiger, da es konkrete Einzelfallentscheidungen betrifft, die zusammen genommen die Energiewende zum Erfolg oder Misserfolg machen.
In der Praxis – soweit ich mich erinnere – ist das Stimmergebnis des Aufsichtsrates der SWK nicht immer deckungsgleich mit dem Stimmergebnis des GR gewesen. Wie schon geschrieben, ist die Treuepflicht eines AR-Mitglieds anders gelagert, als die eines GR-Mitglieds.
Wenn ich das hier richtig interpretiere:
https://publicus.boorberg.de/die-weisungsrechte-des-gemeinderats/
sagt dies gerade für den Fall in KN aus, dass hier eben nicht die Gemeindeordnung, sondern das GmbH-Gesetz Vorrang hätte und demzufolge die Unternehmensinteressen Priorität hätten. Es sei denn, dies würde im Gesellschaftsvertrag anderweitig bestimmt, was aber Thüga vermutlich nicht gerne hätte.
@Peter:
Eine Weisungsbefugnis des GR über den Vertreter in der Gesellschaftsversammlung an die Geschäftsführung (nicht AR) der SWK ist weiter möglich. Bei der SWK Energie muss in so einem Fall die Thüga zustimmen, das ist richtig.
Hier wird m.E. der Worst Case beschworen – GF SWK Energie trifft eine Entscheidung, die dem GR nicht gefällt – Thüga stimmt der Weisung des GR an die GF nicht zu. Da aber die GF SWK in teilweiser Personalunion mit der GF SWK vorgesehen ist und das Weisungsrecht an die SWK das Verhalten in der SWK Energie umfasst, halte ich das für sehr unwahrscheinlich.
Klar, ein Restrisiko bleibt immer. Die SWK hätten aber 74,9 Prozent und können so bei 95% der Entscheidungen einfach überstimmen. Bei einem JV, das gerne als Alternative genannt wird, wäre es 50/50 und die Abstimmung viel komplizierter.
Der von der Gemeinde entsandten Mitglieder des AR haben lt. § 104 Abs. 3 GemO „bei ihrer Tätigkeit auch die besonderen Interessen der Gemeinde zu berücksichtigen.“ Das gilt m.W. für die SWK wie für die SWK Energie. Man muss sicherstellen, dass auch in den AR der SWK Energie Vertreter des GR entsendet werden. M.V.n. ist das vorgesehen.
Zum Weisungsrecht des Gemeinderats Bestimmungen in:
https://www.konstanz.de/site/Konstanz/get/documents_E1767465713/konstanz/Dateien/Service/Ortsrecht/I%20Allgemeine%20Verwaltung/I_01%20Hauptsatzung%20der%20Stadt%20Konstanz.pdf
(In diesem Fall §11 Seite 12)
@Frank: Der Gemeinderat kann zwar keine Anweisungen erteilen, er darf aber laut Gesellschaftsvertrag Angelegenheiten an sich ziehen. Genau dies ist im Falle der Thüga-Beteiligung auch passiert. Oder kürzlich auch bezüglich der Gasleitung 2.
Diese Möglichkeit würde wohl in einer separaten Gesellschaft mit Thüga als Gesellschafterin nicht mehr bestehen. Und der Aufsichtsrat hat laut Gesetz – anders als der Gemeinderat – in erster Linie das Wohl der Gesellschaft, nicht das der Büerger:innen von Konstanz zu beachten.
Anmerkung der seemoz-Redaktion: Frank Best wurde vom Jungen Forum Konstanz (JFK) in den Expertenrat berufen, der sich nichtöffentlich mit dem Thema Stadtwerke/Thüga beschäftigt hat.
Ich muss sagen, ich fände es schade und höchst peinlich, wenn der Gemeinderat auf Basis halbwahrer Informationen und generellem Misstrauen die Zusammenarbeit ablehnt. So kann z.B. der Gemeinderat dem Aufsichtsrat keine Weisungen erteilen, das ist einfach Unsinn.
Es werden gerade so viele Halbwahrheiten gestreut, das geht auf keine Kuhhaut mehr. Es geht anscheinend gar nicht mehr darum, Vorteile und Nachteile abzuwägen, sondern es wird alles nur noch schlecht geredet, ins Negative gedreht, und die Nachteile weit über ihre tatsächliche Bedeutung hochgepusht. Irgendwelche Beispiele von einzelnen Versuchen aus 2012 zu bringen, die nicht mal durchgeführt wurden, zeigt meines Erachtens eindeutig, was erreicht werden soll – einseitig so schlecht wie möglich darstellen.
Wir schießen uns aus Unwissenheit und unbegründeter Angst gerade bei einem so wichtigem Thema wie der Energiewende ins eigenen Knie. Förderlich für den Klimaschutz scheint mir dass alles nicht mehr, es geht manchen anscheinend nur noch darum, eine Beteiligung zu verhindern, koste es was es wolle.
Ich bin kein Finanzexperte.
Darum meine Frage:
Wenn die Stadt/die Stadtwerke Geld benötigen, wäre es nicht möglich, eine Art „kommunaler Anleihe“ zu platzieren, die bevorzugt von den Bürgern der Stadt erworben werden könnte?
Auf diesem Wege würden die Bürger die Stadtwerke finanzieren – allerdings dann auch an Gewinnen und ggf. Verlusten beteilgt sein.
Die fachliche Expertise, die die Stadtwerke (angeblich) benötigen, könnte man doch sicher irgendwo extern einkaufen, dazu muss man nicht zwingend einen Partner ins Boot holen.
Weiß jemand, ob Großkunden da irgendein Mitspracherecht haben könnten?
Die Uni, das Klinikum, … oder auch und vielleicht vor allem: Die Stadt Kreuzlingen?
Hinderlich für die Drohung mit z.B. einem Käuferstreik dürfte halt sein, daß kein Kunde einfach sagen kann: „Wenn das Gas künftig durch Leitungen kommt, die nicht mehr vollständig der Stadt Konstanz gehören, kaufen wir unser Gas eben künftig woanders und beziehen es auch nicht mehr durchs Konstanzer Leitungsnetz.“
Zu der Gewinnabführung: dies würde nicht nur bedeuten, dass die entsprechenden Gewinne von den Konstanzer:innen finanziert werden müssen, es ist auch zu bedenken, dass damit die Konstanzer:innen ein Wasserstoff-zum-Heizen- und Gaslobby-Unternehmen direkt unterstützen würden. Ein Teil der Gewinne würde direkt in Aktivitäten fließen, die die Klimaneutralität von Deutschland verzögern würden. Ob das für die erste Klimanotstands-Stadt angemessen ist? Teil der Klimanotstandstrategie von Konstanz sollte doch zumindest sein, überregional nicht noch Negatives zu bewirken.
https://twitter.com/PeterMagulski/status/1676251500476084224