Zehn gute Gründe gegen den Thüga-Einstieg
Die Konstanzer Stadtverwaltung und die Geschäftsleitung der Stadtwerke (SWK) befürworten den Verkauf eines Teils der SWK an den Energiekonzern Thüga AG. Über dieses Vorhaben debattiert morgen der Konstanzer Gemeinderat. Hier noch einmal zusammengefasst, was gegen die Teilprivatisierung spricht.
- Die Stadtwerke Konstanz (SWK) werden ihren „Heimatbonus“ und damit Kund:innen verlieren.
Für 2500 Kilowattstunden Stromverbrauch pro Jahr, ein Durchschnittswert für einen Zwei-Personen-Haushalt, verlangen die SWK aktuell von den Konstanzer:innen etwa 1200 Euro: Ohne die Strompreisbremse der Bundesregierung wären es gar 1400 Euro. Ein Blick ins Vergleichsportal Verivo zeigt, dass man auch Ökostrom von andere Anbietern deutlich günstiger, nämlich für rund 850 Euro, beziehen könnte. Mancher preisbewusste Kunde, der den SWK dennoch die Treue hält, weil der Mehrpreis ja in unserer Stadt bleibt und die hiesigen Bäder und den Busverkehr subventioniert, wird sich nach dem Einstieg der Thüga zweimal überlegen, ob er nicht einem günstigeren Anbieter den Vorzug gibt.
- Der Einstieg der Thüga verringert die bislang jährlich der Stadt gutgeschriebene Dividende um ein Viertel (aktuell ca. 400.000 Euro).
Die Stadt überlässt ihren Ertrag bislang den SWK und erhöht so deren Eigenkapital. Ob die Thüga dies auch machen wird, ist mehr als ungewiss, denn sie will ja Profit für ihre Eigentümer erwirtschaften. Nürnberg, Frankfurt und Hannover, denen die Thüga überwiegend gehört, brauchen auch Geld für ihre Wärmewende!
- Ob ein Einstieg der Thüga die miserable Ertragslage der SWK verbessern wird, kann man glauben – oder auch nicht.
Die Thüga verspricht Synergieeffekte, tolle Beratungsangebote, neue Produkte, Einsparungen beim Einkauf. Zahlen sich diese Vorteile aus? Die sonst um Werbeargumente nicht verlegene Thüga könnte dies mit einer Studie belegen, welche die etwa hundert Stadtwerke, an denen sie beteiligt ist, mit jenen vergleicht, die noch im Alleinbesitz ihrer Kommunen sind. Doch eine solche Studie gibt es nicht – oder sie wurde nie veröffentlicht.
- Mit dem Einstieg der Thüga werden die SWK sich vermehrt an Renditeerwartungen und weniger am Gemeinwohl orientieren.
Klar, die SWK müssen auch wirtschaftlich über die Runden kommen. Vorrangiges Unternehmensziel ist aber nicht die Gewinnmaximierung, sondern die kommunale Daseinsfürsorge, nämlich das Bereitstellen von Trinkwasser, Energie (Strom, Gas, Wärme), digitaler Infrastruktur, öffentlichen Verkehrsmitteln. Im Werbesprech der SWK: „Wir sorgen für Geborgenheit, Spaß und Entspannung, […] Lebensqualität in Konstanz.“ Auch wenn die Stadt als Mehrheitsaktionärin weiterhin den größten Einfluss hat, wird die Thüga darauf hinwirken, dass nur solche Neuinvestitionen vorgenommen werden, die langfristig eine Rendite von vier bis fünf Prozent versprechen.
- Mit ihrer Lobbyarbeit für die „erneuerbaren Gase“ Wasserstoff und Biomethan ist die Thüga ein Bremser der Wärmewende.
Auch SWK-Chef Norbert Reuter gesteht ein, dass Wasserstoff, der auch in den kommenden Jahrzehnten viel zu teuer und in zu geringen Umfang produziert werden wird, fürs Beheizen von Konstanzer Wohnungen nicht infrage kommt. Biomethan wird zum Großteil nicht aus pflanzlichen und tierischen Abfällen, sondern aus extra dafür angebautem Mais gewonnen. Wer einmal die riesigen Maismonokulturen in Ostdeutschland gesehen hat, der weiß, welchen Schäden an Umwelt und Artenvielfalt der Biogas-Hype mit sich bringt.
- Die Thüga bringt den SWK keine neue Manpower.
Angesichts der beinharten Konkurrenz um die zur Wärmewende benötigten Fachkräfte wird die Thüga den SWK kein Personal überlassen. Sie hat selbst mehr als hundert offene Stellen. Fachkräfte müssen die SWK also selbst gewinnen. Wie wär’s mit Betriebswohnungen, auch über die städtische Wohnungsbaugesellschaft WOBAK? Hat Konstanz nicht auch einen hohen Freizeitwert, der es für Fachkräfte attraktiv macht?
- Die Thüga hat in den für die Konstanzer Wärmewende zentralen Bereichen keine besondere Expertise.
Die SWK setzen für ihr künftiges Wärmenetz vorrangig auf drei Quellen: Thermische Seewassernutzung, die geplante neue Müllverbrennungsanlage Weinfelden (KVA) und das von der Kläranlage gereinigte, in den See geleitete Abwasser. Expertise für die Nutzung von Seewasser findet man aktuell vor allem in der Schweiz, während diese Energiequelle in Deutschland kaum genutzt wird. Um von der KVA Weinfelden eine Fernwärmeleitung nach Kreuzlingen/Konstanz zu legen, braucht’s keine Thüga, sondern Lokalpolitik, die mit den Schweizern einen Deal nach dem Motto „Wir liefern euch weiter Müll und bekommen dafür Wärme“ aushandelt.
- Andere potenzielle Partner wie etwa die Mannheimer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (MVV) sind für die Wärmewende besser aufgestellt und bieten Kooperationen an, ohne sich am Vermögen der SWK beteiligen zu wollen.
Die Gemeinderät:innen sollen am Donnerstag zustimmen, dass die SWK auf Basis einer bereits ausgehandelten Absichtserklärung nun mit der Thüga konkrete Verhandlungen um eine Beteiligung an der Energie-, Wasser- und Telekommunikationssparte aufnimmt. Der Rat wäre gut beraten, hier auch Alternativen zu erwägen und sich vor allem nicht unter Zeitdruck setzen zu lassen. Wie wär’s etwa mit einem Ausflug ins Mannheimer Neubauquartier Franklin?
- Ist die Thüga einmal mit im Boot, wird man sie nur schwer wieder los.
Die Absichtserklärung zwischen SWK und Thüga enthält zwar eine sogenannte Chance-of-Control-Klausel. Sollte die Thüga eines Tages nicht mehr überwiegend von kommunalen Gesellschaftern kontrolliert werden, dürfen die SWK den Ausstieg der Thüga verlangen, die dafür aber entschädigt werden muss. Zur Jahrtausendwende hätte Radolfzell nach Ablauf der Konzession sein vom Thüga-Vorläufer Contigas betriebenes Gasnetz gern wieder selbst übernommen. Zu teuer! Dresden beschloss 2019, eine Ausstiegsoption zu nutzen und den Thüga-Anteil an ihren Stadtwerken (DREWAG) zurückzukaufen. Seither streiten beide Parteien vor Gericht um den angemessenen Preis.
Text: Ralph-Raymond Braun / Foto: Pit Wuhrer
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Fridays for Future Konstanz ruft auf zur Protest-Mahnwache – vor dem Rathaus zu Beginn der Gemeinderatssitzung am morgigen Donnerstag, 15.30 Uhr.
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