Tschüss Thüga! Aber wer oder was kommt jetzt?
Das war’s dann. Angesichts einer drohenden Niederlage stoppte der Konstanzer Oberbürgermeister einen Vorentscheid über den geplanten Einstieg des Energiekonzerns Thüga bei den Konstanzer Stadtwerken (SWK): Uli Burchardt setzte am letzten Donnerstag den Punkt kurzerhand von der Tagesordnung des Gemeinderats ab.
Am Schluss ließ nach Linker Liste, den Freien Grünen und der SPD sogar die CDU-Fraktion des Gemeinderats den Oberbürgermeister im Stich und befand, „dass die Voraussetzungen für eine so weitreichende Entscheidung in der vorliegenden Form nicht gegeben sind.“ Einzig das Junge Forum, von dem einige sagen, Burchardt sei bei diesen Cannabis-affinen Fürsprecher:innen unbegrenzten Nachtlebens besser aufgehoben, zeigte sich über die Absetzung des Tagesordnungspunktes verwundert, weil „unsere Stadtwerke dringend Teil eines starken Verbundes sein müssen, um mangelndes Know-How auszugleichen und Skaleneffekte nutzen zu können.“
Wobei, unter uns, der Vorwurf mangelnden Know-hows ja eigentlich heißt, die SWK-Mitarbeiter:innen seien zu dumm für ihr Geschäft. Das aber wäre dann der Personalauswahl und letztlich dem Chef zuzuschreiben, dessen Vertrag SWK-Aufsichtsrat und Gemeinderat mit den Stimmen des Jungen Forums vor einem knappen Jahr verlängert haben. Passt also irgendwie nicht recht zusammen.
Über die eigene Geheimniskrämerei gestolpert
Zum Sitzungsauftakt erläuterte der OB mit ernster bis genervter, manchmal gar stockender Stimme, er habe erkannt, es gebe keine „breite mehrheitsfähige gemeinsame Idee für eine gute Lösung für unsere Stadtwerke.“ Man müsse nun zurück zum 9. Mai, als der Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss noch einstimmig beschlossen habe, „das Eingehen einer strategischen Partnerschaft [der SWK] zu befürworten.“
War das so? Und was verstand der Ausschuss unter „strategischer Partnerschaft“? Wir wissen es nicht. Die damalige Sitzung war nämlich geheim, selbst ihre Beschlüsse wurden der Öffentlichkeit vorenthalten. So wie OB Burchardt generell danach strebt, Diskussionen in den „geschützten“, nicht-öffentlichen Raum der Ausschusssitzungen zu verlagern und die öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats zur puren Akklamation nicht-öffentlich vorberatener Beschlüsse zu degradieren.
Diese mit den Standardargumenten „Wahrung von Geschäftsgeheimnissen“ und „geschützter Raum zur Diskussion“ begründete Geheimnistuerei ist ein Grund dafür, dass das Vorhaben Thüga-Beteiligung voll gegen die Wand krachte. So konnte es den Entscheidern nicht gelingen, die Öffentlichkeit auf dem langen Weg zur Thüga Schritt um Schritt mitzunehmen. Gleichzeitig fehlte mit der öffentlichen Meinung ein Korrektiv, das schon früh auf besonders sensible Punkte des Projekts hingewiesen hätte.
Männer unter sich
Deshalb konnte die Akzeptanz des aus kaufmännischer und technischer Sicht („alle Leitungen in einer Hand“) naheliegenden, politisch aber besonders heiklen Vorhabens einer Beteiligung der Thüga auch am Trinkwassernetz nicht schon im Vorfeld ausgetestet werden. Die maßgeblichen Entscheider (meines Wissens nur Männer) im vorbereitenden Lenkungsausschuss und an der Spitze von SWK und Stadtverwaltung sowie ihre externen Berater von Porbatzki & Stocker (www.psundpartner.de) blieben unter sich und hatten kein Feedback von außen.
Mit solcher Geheimniskrämerei nährt man auch das Elitenbashing: Die da oben machen sowieso, was sie wollen. Dem OB sei geraten, gerade bei zentralen Themen frühzeitig den Dialog mit den Einwohner:innen der Stadt zu suchen. Und diesen Dialog nicht nur als einkanalige Vermittlungsarbeit zu gestalten, welche das Wahlvolk von der Sinnhaftigkeit bereits getroffener Entscheidungen zu überzeugen versucht.
Der Ruf des hochpreisigen Monopolisten
Wie geht es nun weiter mit den Stadtwerken? Die Kooperationsgespräche mit der Thüga sind gestoppt und der Einstieg auch irgendwelcher anderer Investoren sollte auf absehbare Zeit vom Tisch sein. Man fokussiere sich jetzt auf andere Möglichkeiten strategischer Kooperationen, verlautbaren die SWK in bestem Business-Sprech, und meint damit wohl projektbezogene Gemeinschaftsunternehmen mit anderen Partnern.
Für das Schweizer Unterseeufer, wo die SWK mit einer Leitung bis hin nach Stein am Rhein die Gemeinden mit Gas versorgt, scheint der Zug schon abgefahren. Bevorzugter Partner für die dort geplanten Anlagen zur Energiegewinnung aus Seewasser (Seethermie) sind nicht die als hochpreisiger Gasmonopolist verrufenen SWK, sondern der dem Kanton Thurgau gehörende Energieversorger EKT; der will ab 2025 als erstes Gottlieben mit aus dem See gewonnener Wärme versorgen. Doch wie steht es um die Zusammenarbeit der SWK mit der Konstanzer Nachbargemeinde Kreuzlingen? Darüber wüsste man gerne mehr.
Als Berater, Verkäufer marktfertiger Module für neue Stadtwerke-Dienstleistungen und als potenzieller Partner von Joint Ventures kommen nun auch wieder die Mannheimer MVV Energie ins Spiel. Diese waren bei der Partnersuche der SWK zunächst durchgefallen, weil sie an dem von den Konstanzern favorisierten Modell mit Kapitalbeteiligung kein Interesse hatten. Die MVV haben viel Know-how mit erneuerbaren Energien und intelligenten Stromnetzen, die etwa die Wärmepumpe oder Waschmaschine dann einschalten, wenn gerade viel Strom im Netz angeboten wird.
Wieder in den schwarzen Zahlen
[the_ad id=“94028″]Auch nach dem Thüga-Desaster vertrauen viele SWK-Kund:innen weiter ihren Stadtwerken. Warum also nicht das für die Energiewende nötige Kapital von den Bürger:innen einsammeln? Ravensburg und Friedrichshafen machen vor, wie’s geht.
Gefragt sind zudem neue, der Energiewende förderliche Angebote an die Endkund:innen, die andernorts bereits erprobt wurden und die die SWK auch ohne großen Know-how-Transfer anbieten könnten: Besondere Stromtarife für Wärmepumpen und intelligent gesteuerte E-Auto-Ladestationen, Contracting-Angebote auch für Fotovoltaik und Wärmepumpen, Smart Web zur Kontrolle des eigenen Stromverbrauchs und so weiter – das alles gibt es. Aber nicht in Konstanz. Den SWK fehlt das für solche Angebote erforderliche Personal? Warum nicht die bei der Personalwerbung gepriesenen Benefits ergänzen um: „Wir bieten über unseren Partner, die städtische Wohnungsbaugesellschaft WOBAK, preisgünstige Betriebswohnungen“?
Bei der Bilanzpressekonferenz am vergangenen Freitag zeigt sich SWK-Chef Norbert Reuter zufrieden über den Geschäftsverlauf 2022. Das Kerngeschäft sein nun wieder in den schwarzen Zahlen. Glückwunsch! Dann also runter mit den im Vergleich zu anderen Stadtwerken exorbitanten Strompreisen und Schluss mit der unmoralischen Bereicherung aus der Strompreisbremse, die wir alle über Steuern finanzieren.
PS: seemoz wird die Stadtwerke Konstanz weiter im Auge behalten und berichten.
Text: Ralph-Raymond Braun / Fotos (oben: FFF-Protest vor der Gemeinderatssitzung am 20. Juli 2023, Mitte: Gasspeicher, Photovoltaik und Bushaltestelle bei der SWK-Zentrale): Pit Wuhrer
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