Der Klimacamp-Blog (13): Wie, Konstanz, hältst du’s mit dem Gas?
Hier könnte ein Artikel darüber stehen, wie die Energiewende in Konstanz aktiv vorangetrieben wird. Stattdessen erscheint ein Artikel darüber, dass die Stadtwerke Konstanz glauben, die Versorgungssicherheit nur durch den Bau einer neuen Gaspipeline von Kreuzlingen nach Konstanz gewährleisten zu können. Aber stimmt das?
Es ist ein Artikel über die Ironie, dass die Stadtwerke sich die Frage stellen, ob eine neue Erdgaspipeline nötig ist, um den steigenden Gasverbrauch zu decken, anstatt sich der Frage zu widmen, wie sie sinnvoll in zukunftsfähige Technologien investieren können, um den Gasverbrauch zu senken.
Ein kleiner Tipp vorweg: Vermutlich wird sich der Gasverbrauch nicht verringern, wenn man als Unternehmen aktiv dafür wirbt. Das hat beispielsweise die Stadt Amsterdam erkannt und mit einem Verbot für die Bewerbung fossiler Brennstoffe reagiert.
Dass heute noch auf Gas gesetzt wird, erscheint absurd – vor allem wenn man sich die aktuellen Vorkommnisse in der Welt anschaut: Explodierende Öl- und Gaspreise seit Anfang des Jahres – übrigens auch bei den Stadtwerken Konstanz: Am 1. Oktober wurden die Preise für SeeEnergie ErdgasBasis um 12,2 Prozent erhöht. In Großbritannien mussten bereits neun Gasanbieter Insolvenz anmelden – ein Trend, der langsam auch Deutschland erfasst, wie beispielsweise Otima Energie in Brandenburg.
Anhand dieser Entwicklungen frage ich mich schon, warum die Stadtwerke die Versorgungssicherheit speziell durch Gas gewährleisten wollen; oder viel mehr noch: Ob sie es können. Nur weil eine Technik schon immer gut funktioniert hat (laut ihrer Homepage versorgen die Stadtwerke uns schon seit über 150 Jahren mit Gas), heißt das nicht, dass sie das auch die nächsten 150 Jahre tun wird. Denn eines ist klar: Wenn Konstanz bis 2035 klimaneutral sein will, muss der Erdgasverbrauch bis dahin um 90 Prozent gesenkt werden – das hat das Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) aus Heidelberg errechnet.
Was also könnte getan werden, anstatt eine 20-Millionen-Euro-teure Gaspipeline zu bauen – finanziert durch das Netzentgelt der Gas-Kund:innen? Zum Beispiel in den Bau von Wärmenetzen investieren. Bereits 2018 wurden im Energienutzungsplan von Konstanz der Stadtteil Paradies und die Altstadt als besonders geeignet für den Ausbau eines Wärmenetzes identifiziert – empfohlen wird die Nutzung von Seewärme bis spätestens „ab 2030“.
Ein Angebot aus der Schweiz
Auch in einer Machbarkeitsstudie des Kantons Thurgau, die prüfte, inwiefern der Kanton Seewärme aus dem Bodensee und dem Seerhein nutzen kann, wird Konstanz quasi dazu eingeladen, sich mit dem Thurgau zusammenzuschließen: „Es besteht die Möglichkeit, das Bahnhofsquartier in der Altstadt von Konstanz als Erweiterung des Energieverbunds Kreuzlingen West mit Wärme zu versorgen“, heißt es da. Und weiter: „Eine Erweiterung und ein Anschluss des Bahnhofquartiers in Konstanz ist prüfenswert und würde vermutlich die Wirtschaftlichkeit des Energieverbundes günstig beeinflussen.“
Abgesehen davon wird der Ausbau von Wärmenetzen momentan durch das „Förderprogramm energieeffiziente Wärmenetze“ staatlich gefördert.
Was also spricht gegen den Ausbau von Wärmenetzen? Zu wenig Tradition? Zu wenig Vertrauen in diese „neuen Technologien“, zu denen ja angeblich auch Wärmepumpen gehören? Wenn man bedenkt, dass das Rathaus von Zürich bereits 1938 mit der ersten Wärmepumpe ausgestattet wurde, zieht das Argument nicht wirklich.
Die grönländische Regierung hat am 24. Juni 2021 beschlossen, keine neuen Öl- und Gasvorkommen mehr zu erschließen, weil sie „ihre Zukunft nicht im Öl sieht“, sondern in erneuerbaren Energien.
Ich frage mich: Was muss denn noch kommen, bis auch wir unsere Zukunft endlich in den erneuerbaren Energien sehen?
Text: Corinna Zürn vom Klimacamp Konstanz
Foto oben: Beginn der Klimacamp-Demo am 6. August 2021 (Pit Wuhrer)
Der Klimacamp-Blog wird von Aktivist:innen des Konstanzer Camps verfasst. Sie entscheiden autonom über die Beiträge. Zuletzt erschien auf seemoz:
(12) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 2)
(11) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 1)
(10) Eine Nacht im Klimacamp
(9) Sind individuelle Lösungen ein wirksames Mittel? Eine Gegenüberstellung
(8) Ein Tag im Camp
(7) Demo- und Wahlrückblick
(6) Nach der Wahl: Das muss jetzt passieren
(5) Zwischen Verzweiflung und Hoffnung
(4) Klimastreik vor der Wahl
(3) Eine lange Radtour
(2) Kaum Fortschritte beim Klimaschutzbericht
(1) Warum Fridays nicht mehr reicht
@Mario Peters:
Vonseiten der Stadtwerke gibt es bis jetzt nur sehr wenige Infos. Eine richtige öffentliche Stellungnahme zu dem Thema gab es meines Wissens noch nicht. Die Argumentation der Stadtwerke ist im Grunde die Wahrung der Versorgungssicherheit, an besonders kalten Tagen. Die Argumente wie man das auch anders schaffen könnte, sind in diesem Artikel ja ganz gut dargelegt.
Wer profitiert von der Pipeline ist eine sehr spannende Frage. Einmal natürlich die Stadtwerke, die momentan mit dem Verkauf von Gas noch Gewinn erzielen, wobei sich natürlich die Frage stellt, wie lange noch. Aber wer verdient noch alles am Bau und Betrieb?
Ist die Stadt nicht im Aufsichtsrat? Ja ist sie, dementsprechend wäre die Entscheidung der Stadtwerke für eine Gaspipeline auch eine Entscheidung der Stadt für eine Gaspipeline und gegen die eigenen Klimaschutzziele.
„Im Gremium sitzen Oberbürgermeister Uli Burchardt, Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn, Kämmerer Ulrich Schwarz, seitens des Gemeinderats Kurt Demmler (CDU), Susanne Heiß (FW), Johann Hartwich (FDP), Holger Reile (LLK), Dr. Jürgen Ruff (SPD), Dr. Dorothee Jacobs-Krahnen (FGL), Soteria Fuchs (FGL), Gabriele Weiner (Junges Forum) sowie als Arbeitnehmervertreter Roberto Schulze, Alexander Siebrecht, Wolfgang Messmer, Susann Schmidt und Matthias Hipp“ (https://www.konstanz.de/service/pressereferat/pressemitteilungen/neuer+aufsichtsrat+der+stadtwerke)
Ist in der Wirtschaftlichkeitsberechnung der faire CO2-Preis enthalten?
Bis jetzt ist keine Wirtschaftlichkeitsrechnung öffentlich, aber ich vermute nicht, dass ein angemessener CO2-Preis berücksichtigt wurde.
Ende November wird (ein Teil oder alles) das Gutachten richtig veröffentlicht werden, das heute dem Aufsichtsrat vorgestellt wurde. Dann werden wir hoffentlich etwas mehr sehen.
Gibt es eine öffentliche Argumentation der Stadtwerke?
Wer profitiert von der Pipeline?
Ist die Stadt nicht im Aufsichtsrat?
Ist in der Wirtschaftlichkeitsberechnung der faire CO2 Preis enthalten?