Der Klimacamp-Blog (14): Was kostet Anwohnerparken?
Wer schon einmal einen Anwohnerparkausweis beantragt hat, weiß: Ein Jahr Parken kostet in Konstanz 30,70 Euro. Doch ein Jahr Parken mitten in bester städtischer Lage kostet ja nicht wirklich 30,70 Euro. Tatsächlich reicht dieser Betrag nicht einmal aus, um den Verwaltungsaufwand zur Ausstellung der Parkausweise zu bezahlen. Das bedeutet, dass momentan das Parken massiv bezuschusst wird.
Was schade ist, denn einerseits verschlingen Parkplätze kostbare öffentliche Fläche und kosten die Allgemeinheit viel Geld, einzig mit dem Effekt, das klimaschädliche Fortbewegungsmittel Auto gegenüber dem öffentlichen Nahverkehr künstlich attraktiver zu machen. Und andererseits haben Untersuchungen aus den Niederlanden gezeigt, dass die Anzahl an Autos pro 100 Euro mehr Parkgebühren sich um 17 Autos pro 1000 Einwohner reduziert. Es ist also höchste Zeit, sich der Diskussion um den wahren Preis des Parkens zu stellen.
Glücklicherweise hat das auch die Landesregierung erkannt und eine Gesetzesänderung beschlossen, nach der Kommunen die Preise für Anwohnerparken deutlich autonomer bestimmen dürfen. In einer Handreichung erklärt die Landesregierung, wie man dabei vorgehen kann und was parken wirklich kostet. Anhand dieser Aufstellung rechnen wir einmal durch, was ein Parkplatz in Konstanz wirklich kostet. Eine Warnung vorweg: Einige Angaben sind lediglich Schätzungen, der tatsächliche Preis könnte auch höher liegen (oder niedriger).
Bodenpreis: Der Großteil der Anwohner-Parkplätze in der Konstanzer Stadt befinden sich im Stadtteil Paradies. Der Quadratmeter Boden (Bodenrichtwert) kostet dort zwischen 300 und 2500 Euro pro Quadratmeter. Gehen wir mal von einem Mittelwert von 1000 Euro/Quadratmeter aus. Ein Parkplatz hat eine Fläche zwischen 12 und 20 Quadratmeter. Nehmen wir 15 Quadratmeter macht das 15.000 Euro für die Fläche. Bei einem Kaufpreisfaktor von 31 und einer Bruttomietrendite von 3,23 Prozent pro Jahr macht das 485 Euro pro Jahr. Ein Anwohnerparkausweis gibt allerdings keinen Anspruch auf einen Parkplatz. Die Anzahl an Anwohnerparkausweisen ist in etwa doppelt so hoch, wie die an Parkplätzen. Die Kosten pro Auto liegen also bei der Hälfte, also bei circa 240 Euro (siehe dazu eine Berechnung der Website imho-effekt).
Herstellungs- und Instandhaltungskosten: Neben dem Bodenpreis müssen noch die Kosten für Herstellung und Instandhaltung bedacht werden. Diese liegen (je nach Annahme) zwischen 120 und 500 Euro pro Jahr. Schätzen wir diese Summe auf 300 Euro pro Jahr, wären wir bei 540 Euro pro Parkplatz und Jahr als Grundkosten (mit einer großen Spannweite).
Zusätzlich können die Parkpreise auch gestaffelt werden, je nach Lage der Parkmöglichkeiten, Qualität des Umweltverbundes, Größe des Autos, Gewicht des Autos oder Anzahl an Autos pro Haushalt. Rechnen wir mal in einer Schätzung noch eine Sondergebühr von 150 Euro für besonders schwere (wie in Tübingen schwerer als 1800 Kilogramm) und damit besonders klimaschädliche Autos dazu, würde ein Parkplatz damit also für ein schweres Auto 690 Euro pro Jahr kosten und für ein leichteres 540 Euro.
Deutschland hinkt hinterher
An dieser Stelle ein ganz großes Achtung. In dieser Rechnung sind einige Annahmen, die womöglich falsch sind. Je nach Bodenrichtwert und Unterhaltkosten schwanken die wahren Kosten des Parkens deutlich. Als Faustformel kann man aber sagen: Ein Jahr Parken sollte in Konstanz zwischen 400 und 1000 Euro pro Jahr (also zwischen 33 und 80 Euro pro Monat) kosten, um die versteckten Kosten abzudecken. Ausnahmen kann es dabei natürlich geben, wie beispielsweise für Schwerbehinderte.
Nun, wie ist das im Vergleich zu bewerten? Im europäischen Vergleich hinkt Deutschland bei den Parkpreisen hinterher. In Basel wurden die Parkpreise für Anwohnerparken 2019 von 140 CHF auf 285 Franken erhöht und Anwohnerparkausweise können nicht für Zweitwagen erworben werden. In der niederländischen Stadt Amsterdam kostet ein Parkausweis 540 Euro pro Jahr und in Göteborg (Schweden) können Parkplätze bis zu 840 Euro pro Jahr kosten.
Bleibt letztlich nur noch die Frage: Was tun mit dem Geld? In Konstanz gibt es momentan 5300 Parkberechtigungen. Würde man mit Gebühren von 600 Euro pro Jahr und Ausweis rechnen, ergäbe das 3,2 Millionen Euro. Das würde zwar noch nicht reichen, um einen kostenfreien Nahverkehr zu finanzieren, wäre aber schon mal ein Anfang. Ein Anfang, um vielleicht Menschen unter 18 Jahren das kostenlose Busfahren zu ermöglichen und damit kinderreiche Familien finanziell zu entlasten?
Doch vor allem könnte eine angemessene Parkbepreisung helfen, die Stadt von all den Autos zu befreien. Und damit Platz schaffen für sichere Fahrradwege und einen Bus, der nicht im Stau steht. Und Platz, dass auf den Bürgersteigen wieder ungestört flaniert werden kann. Platz für Cafés. Platz für in Klimakrisenzeiten dringend benötigte kühlende Bäume. Platz, dass Kinder wieder auf den Straßen spielen können, ohne Gefahr, dass sie gleich überfahren werden. Oder zumindest, sie bedenkenlos wieder morgens zur Schule laufen zu lassen.
Text: Manuel vom Klimacamp Konstanz
Foto oben (Klimastreikdemo am 24. September): Felix Müller / FFF; unten (Demo gegen die zweite Gaspipeline am gestrigen Mittwoch): Pit Wuhrer
Der Klimacamp-Blog wird von Aktivist:innen des Konstanzer Camps verfasst. Sie entscheiden autonom über die Beiträge. Zuletzt erschien auf seemoz:
(13): Wie, Konstanz, hältst du’s mit dem Gas?
(12) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 2)
(11) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 1)
(10) Eine Nacht im Klimacamp
(9) Sind individuelle Lösungen ein wirksames Mittel? Eine Gegenüberstellung
(8) Ein Tag im Camp
(7) Demo- und Wahlrückblick
(6) Nach der Wahl: Das muss jetzt passieren
(5) Zwischen Verzweiflung und Hoffnung
(4) Klimastreik vor der Wahl
(3) Eine lange Radtour
(2) Kaum Fortschritte beim Klimaschutzbericht
(1) Warum Fridays nicht mehr reicht
Meiner Meinung nach ist eine Preiserhöhung des Anwonerparkens keine sinnvolle Lösung und die Hoffnung dass dieses Geld in den öffentlichen Nahverkehr gesteckt wird ist in meinen Augen absolutes Wunschdenken. Ich selbst bin Studentin und werde mir das Parken in einem Jahr nicht mehr leisten können, dann muss ich mein Auto irgendwo außerhalb abstellen und aufgrund meiner aktuellen Lage ist es für mich auch keine Option mein Auto abzumelden, bzw. es seltener zu benutzen. Allen schlechter Verdienenden wird das Parken dadurch unnötig erschwert, anstatt die Probleme bei der Wurzel zu packen. Ich finde der ÖPNV sollte erstmal ausgebaut und preislich angepasst werden (das Geld dazu wäre da), bevor Parkpreise erhöht werden, und nicht umgekehrt. Was das Umwelt Thema anbelangt sollte lieber ein Eintrittspreis für H&M und co. eingeführt werden, damit könnte sicher mehr CO2 eingespart werden und es ist genauso bescheuert.
Vielen Dank für den guten Artikel! Ich bin selber Anwohner, habe einen Parkausweis und fände es vollkommen in Ordnung einen angemessen Preis von 600 Euro zu zahlen. Und es geht nicht nur um den Platzverbrauch und die Verkehrswende, sondern um eine lebenswerte Stadt mit begrünten Strassen. Als die Altbauviertel im Paradies gebaut wurden, wurden Boulevards mit vielen Stadtbäumen und Vorgärten angelegt, und keine Asphaltflächen um persönliche Gegenstände abzustellen. Aber ein dramatisch erhöhter Preis für das Anwohnerparken würde die soziale Spaltung vergrößern. Der Diskussion muss man sich stellen und soziale Härten abfedern.
Da steht die Bodenstrasse fast tagtäglich voller PKW und die Einkaufstouristen drehen hier oft mehrfach Runden durch die Nebenstrassen um einen Parkplatz ausserhalb der Parkhäuser zu ergattern. Dabei halten sich viele auch nicht an die Geschwindigkeitsregelungen. Seit ca. einem Jahr brettern durch die Scheffelstrasse oft im Minutentackt dicke SUVs und Raserschlitten und lassen ihre Motoren aufheulen… Das gerne mal am Wochenende bis in die Nacht hinein.
Das Problem des Anwohnerparkens hier nun in den Vordergrund zu zerren erscheint lächerlich. Wir haben als Carsharing-Nutzer einen Parkausweis – suchen oftmals dennoch ewig nach einem Parkplatz. Um aber mal kurz vor einer Tagesreise in der Nähe des eigenen Wohnhauses den Kindersitz in den PKW zu laden, dann noch Kinder und Equipment etc. zahl ich sicher keine 80 € pro Monat.
Das hier formulierte Problem ist einfach nur klein-klein-gedacht!
Die Stadt sollte es nicht den Anwohnern noch schwerer machen sondern die wirklichen Verkehrsprobleme beheben.