Der Klimacamp-Blog (15): Ein Plädoyer für Offenheit

Im Alltag bewegt man sich ja oft in den gleichen, gewohnten Kreisen. Man begegnet Menschen, bei denen man genau weiß, wie sie ticken, wie sich deren Meinung einordnen lässt, welche Gesprächsthemen besser umschifft werden und wo man auf einer Wellenlänge ist.

Bei mir ist das die gute alte „Öko-Bubble“. In der Öko-Bubble habe ich mich nett eingerichtet, da geht’s mir gut. Über Klimathemen zu reden, ist ein Heimspiel – begleitet von Zustimmung und Anerkennung. Aber jetzt gibt es da mitten in Konstanz ein Klimacamp, an dem alle möglichen Menschen vorbeilaufen – oder auch stehen bleiben. Heute soll es um die Menschen gehen, die stehen bleiben.

Das sind oftmals Menschen, die in Kontakt mit uns treten wollen; aus den verschiedensten Gründen. Manchmal wollen sie mit uns über unsere Forderungen reden, manchmal über Klimathemen allgemein. Immer wieder bekomme ich zu hören, dass unsere Forderungen ja schon recht sind, „aber so schnell geht’s halt nicht“. Man könne ja nicht von heute auf morgen die Gesellschaft umkrempeln (mir persönlich wäre es übrigens auch lieber, man hätte das von vorgestern auf gestern gemacht, oder in den 50 Jahren davor, aber danach fragt in der Regel keine*r). Und überhaupt, wie stellen wir uns das denn vor? Wer soll das bezahlen?

Kurzer Einschub, der eigentlich nichts mit dem Thema zu tun hat: Es ist schon recht paradox, dass wir Menschen uns immer wieder selbst Hindernisse in den Weg stellen. Wir könnten es echt schön haben, wenn wir uns nicht ständig selbst beschränken würden. Geld ist ein menschengemachtes Konstrukt. Letztendlich fehlt es der Regierung nicht am Geld für die Energiewende, sondern an der Motivation, Geld zur Verfügung zu stellen.

Aber zurück zu den Passant*innen: Viele sind uns wohlgesonnen, andere fühlen sich durch unsere Anwesenheit persönlich angegriffen und gehen auf Abwehrkurs. Für manche ist das Camp ein Ort, um angestaute Frustration loszuwerden. Frustration über eine aus ihrer Sicht verfehlte Politik, die immer auf „die kleinen Leute“ schießt, über die Kurzsichtigkeit der Menschheit oder darüber, dass sich erst was ändert, wenn genug Leid da ist. Ich habe sowohl mit Menschen geredet, die mich von der Akutheit der Klimakrise überzeugen wollten (warum auch immer, genau deshalb bin ich schließlich auch auf dem Camp!), als auch mit Menschen, die die Klimakrise als eine einzige große Panikmache betrachten.

Plötzlich bewegt man sich außerhalb seiner Blase. Ist konfrontiert mit anderen Meinungen. So verschieden wie die Menschen, sind auch die Gespräche mit ihnen.

Auch mal Fragen stellen

An manchen Tagen ist es ein gegenseitiges Angreifen, ein Überzeugenwollen, was normalerweise damit endet, dass beide Parteien nur umso beharrlicher ihren eigenen Standpunkt vertreten und am Ende die Fronten verhärtet sind. Wo man sich gar nicht gegenseitig zuhört, sondern vielmehr zwei Gespräche parallel geführt werden. Solche Gespräche sind polarisierender als ein elektrisches Feld und kräftezehrender als … nun, irgendwas sehr Kräftezehrendes.

Andere Gespräche verlaufen konstruktiv. Man kann gemeinsam von verschiedenen Standpunkten aus ein Thema betrachten. Ist interessiert an der Meinung der anderen Person und versucht, deren Blickwinkel zu verstehen. Gemeinsam Lösungen für ein Problem finden.

Nur, wie erreicht man diese konstruktive Gesprächskultur? Meiner Erfahrung nach ist der Schlüssel dafür, auch mal Fragen zu stellen, statt sich gegenseitig belehren zu wollen. Eine meiner Lieblingsfragen ist: „Was sollte Ihrer Meinung nach getan werden? Was braucht die Menschheit jetzt?“ Spannenderweise vereint diese Frage die Fronten oftmals und beide Personen merken, dass ihre Anliegen sich gar nicht so stark voneinander unterscheiden.

Was ich inzwischen begriffen habe: Wie ein Gespräch verläuft, hängt relativ stark auch von meiner eigenen Haltung ab, mit der ich in das Gespräch gehe. Ist es mein Ziel, mein Gegenüber zu verstehen oder zu überzeugen? Wenn ich meine Haltung klarmache, nimmt mein Gegenüber meist eine ähnliche Haltung ein. Wenn ich interessiert nachfrage, warum eine Person so denkt, wie sie denkt, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Person auch interessiert daran ist, wie ich zu meiner Meinung komme. In konstruktiven Gesprächen ist viel mehr Raum dafür da, seine eigene Meinung zu hinterfragen, als in polarisierenden Gesprächen, in denen man versuchen muss, sein Gesicht vor dem Gegenüber zu wahren, um nicht unterzugehen.

Und? Erkennen Sie sich in einem der Beispiele wieder? Auf welche Weise wollen Sie zukünftig Gespräche führen?

Meine Erfahrung ist, sich aus seiner Blase raus zu bewegen ist anstrengend, aber auch sehr bereichernd. Ich lerne viel bei den Gesprächen mit anderen Leuten – sofern ich mich darauf einlassen kann. Ich kann nur jede und jeden dazu einladen, es selbst auszuprobieren. Ob im Klimacamp oder im Alltag: Wir sind ständig mit anderen Meinungen konfrontiert. Versuchen wir doch mehr, diese Meinungen zu verstehen, um dann zu merken, dass unsere darunterliegenden Bedürfnisse im Grunde gleich sind. Wir alle wollen von anderen gesehen und geachtet werden und streben nach Sicherheit in einer unsicheren Welt. Wir alle wollen eine lebenswerte Zukunft.

Text: Corinna Zürn von der Klimacamp-Redaktion
Fotos: Pit Wuhrer