Der Klimacamp-Blog (27): Es gibt kein Weihnachten auf einem toten Planeten

Am Nikolaustag erschien hier auf diesem Blog eine Erzählung, wie der Weihnachtsmann im Camp auftaucht und sich mit Aktivist:innen über die Klimakatastrophe austauscht. Der Weihnachtsmann kommt sehr selbstreflektierend zu dem Schluss, dass ein intakter Planet und eine lebenswerte Zukunft die besten Geschenke für die Kinder seien …

An der Geschichte ist leider nicht nur der Weihnachtsmann fiktiv, sondern auch seine Einsicht, dass das Weihnachtsfest zur Zerstörung des Planeten beiträgt. Kinder und die Liebsten werden – sofern man kann sich das leisten kann – mit Geschenken überschüttet, als gäbe es keinen anderen Weg, die Zuneigung auszudrücken. Der Wandel eines religiös-besinnlichen Fests zu einer Hochphase des Überkonsums ging einher mit der Durchsetzung des Kapitalismus. Denn es sind die kapitalistischen Prämissen der Bedürfnisbefriedigung durch Konsum, um den „pursuit of happiness“, das Streben nach Glück zu erreichen, das dem heutigen Weihnachten zu Grunde liegt. Das hört sich überspitzt an und ist auch nicht auf jede Person übertragbar. Gesamtgesellschaftlich bestätigt sich dies allerdings unter anderem durch die Umsatzzahlen: Der Handelsverband Deutschland prognostiziert für 2021 allein im Weihnachtsgeschäft einen Umsatz von 111,7 Milliarden Euro. Das wäre eine Steigerung von zwei Prozent gegenüber 2020.

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Die Wirtschaftlichkeit des Weihnachtsgeschäfts führt zu absurden Marketingstrategien, die jedes Jahr Umsatzsteigerungen einfahren sollen. Zum einem laufen schon Wochen vorher die Werbetrommeln für Produkte auf Hochtouren, und zum anderem haben sich Sonderangebotsaktionen wie die Black Friday Week etabliert. An den Tagen um den Black Friday werden Produkte (oft nur scheinbar) absurd vergünstigt angeboten, so dass viele Verbraucher:innen schon für Weihnachten zuschlagen.

Das ist von der Industrie durchaus so gewollt. Jedoch stehen die Preise dann noch weniger im Verhältnis zu den realen Kosten des Produkts. Mit realen Kosten sind die ökologischen und sozialen Schäden des Produkts gemeint. Des weiteren verleiten die niedrigen Preise zu dem Kauf von Dingen, die über den Bedarf hinausgehen, und somit zu Überkonsum. Wenige Tage oder Wochen später gehen viele der Waren wieder in Retoure und werden von den Anbieter:innen meistens nicht wieder verkauft, sondern vernichtet. Die Haltbarkeit von Produkten ist generell nicht mehr auf Langlebigkeit ausgelegt. Die Entsorgung steht somit nach einer kurzen Nutzungsdauer an –  und wir haben wieder Müll geschaffen.

Der Kapitalismus ist unhaltbar geworden

Vor allem Kinder in Industriestaaten werden an Weihnachten von allen möglichen Familienmitgliedern mit Geschenken überhäuft. Wie absurd! Denn dies steht im Widerspruch zu einem intakten Planeten und einer lebenswerten Zukunft, also zum eigentlichen Interesse dieser Kinder. Die Schuld liegt dabei aber nicht bei den einzelnen Familienmitgliedern. Denn Individuen können an der aktuellen Situation wenig ändern. Natürlich ist es trotzdem hilfreich, wenn uns die Folgen bewusster werden und wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf ein besinnlicheres konsumkritisches Weihnachten richten. Doch ein nachhaltiges Bewusstsein bringt nichts im falschen System.

Vielmehr muss sich die Art, wie wir wirtschaften und konsumieren, grundlegend ändern. Der Kapitalismus ist als Wirtschaftsform unhaltbar für die Menschheit und diesen Planeten geworden. Denn die Grundprämisse, einen Mehrwert aus allen eingesetzten Mitteln zu erzielen, setzt unbegrenzte Wachstumsmöglichkeiten voraus, die in den vorhandenen planetaren Grenzen nicht existieren. Dieses Wissen wurde Jahrzehnte ignoriert, so dass wir jetzt kurz vor dem Kollaps stehen.

Hinzu kommen die sozialen Ungleichheiten, weil Menschen beziehungsweise ihre Arbeitskraft im Kapitalismus auch nur eine Ressource darstellen. Aus ihnen muss also entweder Mehrwert gezogen werden – oder sie werden durch kostengünstigere Maschinen ersetzt. Das führt zu menschenrechtsverletzender Ausbeutung, die in der heutigen globalisierten Welt großteils in den globalen Süden ausgelagert wurde. Die Folgen des Kapitalismus treffen also überwiegend MAPAs (Most Affected People and Areas), die zusätzlich schon jetzt die verheerendsten Auswirkungen der Klimakatastrophe zu spüren bekommen. Die derzeitigen Extremwetterereignisse und klimatischen Veränderungen sind dabei erst der Anfang. Ähnlich verhält es sich mit Menschen mit geringen Einkommen in Industriestaaten. Die Armen werden ebenfalls – wenn auch nicht im selben Ausmaß – systemisch vernachlässigt und leiden auch hier am meisten unter der Klimakrise.

Nun verstreichen die Tage bis Weihnachten weiter und der Konsum wird auch in diesem Jahr ungehindert weitergehen. Aber es ist von größter Notwendigkeit, dass wir gesamtgesellschaftlich und politisch geführt in einen Wandel kommen. Damit Kinder eine lebenswerte Zukunft haben, das Aussterben gehindert wird und der Planet intakt bleibt. Weihnachten ist auch in einem anderen Wirtschaftssystem möglich. Aber nicht auf einem toten Planeten.

Text und Foto: Carina von der Klimacamp-Redaktion

Der Klimacamp-Blog wird von Aktivist:innen des Konstanzer Camps verfasst. Sie entscheiden autonom über die Beiträge. Bisher sind auf seemoz.de erschienen:

(26): Wenn alles kippt
(25): Besuch im Camp
(24): Ein Konstanzer Traum
(23): Mit der geplanten Erdgas-Pipeline zurück ins fossile Mittelalter
(22): Die Kirche und das Camp
(21): Winter im Camp – wir brauchen Unterstützung!
(20): Die Konstanzer Klimaschutzstrategie
(19): Diese Woche? Klimawoche!
(18): Hambi 2.0 – der Kampf um Lützerath
(17): Hundert Tage – Party oder Trauerfeier?
(16): Was passiert, wenn wir die 1,5 Grad-Grenze überschreiten?
(15): Ein Plädoyer für Offenheit
(14): Was kostet Anwohnerparken?
(13): Wie, Konstanz, hältst du’s mit dem Gas?
(12) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 2)
(11) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 1)
(10) Eine Nacht im Klimacamp
(9) Sind individuelle Lösungen ein wirksames Mittel? Eine Gegenüberstellung
(8) Ein Tag im Camp
(7) Demo- und Wahlrückblick
(6) Nach der Wahl: Das muss jetzt passieren
(5) Zwischen Verzweiflung und Hoffnung
(4) Klimastreik vor der Wahl
(3) Eine lange Radtour
(2) Kaum Fortschritte beim Klimaschutzbericht
(1) Warum Fridays nicht mehr reicht