Der Klimacamp-Blog (31): Über die Notwendigkeit von Klimagerechtigkeit

Am Dienstag, 18. Januar, veranstaltet Amnesty International um 18 Uhr auf dem Münsterplatz eine Mahnwache zu den Themen Klimawandel und Klimagerechtigkeit. Aber was heißt das: Klimagerechtigkeit? Kann es das überhaupt geben? Und was wäre nötig, um die ethischen und sozialen Herausforderungen zu bewältigen, die mit der Klimaerhitzung einhergehen?

Unter den Folgen des Klimawandels leiden überwiegend Menschen, die arm sind oder an der Armutsgrenze leben. Global betrachtet trifft das vor allem auf die Länder des globalen Südens zu, denn sie haben einerseits weniger Ressourcen, um den Folgen des Klimawandels etwas entgegen zu setzen – und andererseits sind sie aufgrund ihrer geographischen Lage stärker davon betroffen. Deswegen werden diese Regionen und ihre Bevölkerung auch häufig als „MAPA“ bezeichnet, als „most affected people and areas“. Nach dem Globalen Klima-Risiko-Index waren 2021 Puerto Rico, Myanmar und Haiti am stärksten von extremen Wetterereignissen betroffen. Extreme Wettereignisse sind meist längere Dürreperioden, Hurrikans, Starkregen und Hitzewellen. Auch der steigende Meeresspiegel bedroht viele Länder und Inseln des globalen Südens. Sie gefährden und rauben jetzt schon die Lebensgrundlagen vieler Menschen.

Außerdem ist absehbar, dass in den nächsten Jahren Extremwetterereignisse, Hitze und der Anstieg des Meeresspiegels zunehmen werden. Eine globale Erderwärmung von zwei Grad bedeutet eine Erwärmung auf Landmasse um circa sieben Grad, denn global werden auch die Meere mitbetrachtet, die einen erheblichen Anteil der Erdmasse ausmachen, sich aber weniger beziehungsweise langsamer erhitzen. Diese Sieben-Grad-Erwärmung auf der Landmasse macht große Teile der Erde unbewohnbar. Durch die absehbare Desertifikation (Verwüstung) und die Zunahme von Extremwetterereignissen werden viele Menschen ihre Heimat verlassen müssen.

Bis zu 2,5 Milliarden Klimaflüchtlinge

Das geschieht auch jetzt schon. Laut dem UN-Hochkommisariat für Flüchtlinge (UNHCR) haben 2020 über 30 Millionen Menschen wegen der Folgen klimatischer Veränderungen  ihre Heimat verlassen müssen; aktuell bewegen sich die Migrationsströme häufig noch im selben Land. Demnach zieht es vor allem Kleinbäuer:innen und Fischer in die Städte, weil sie aufgrund der klimatischen Veränderungen nicht mehr ausreichend Erträge haben, um sich und ihre Familien zu versorgen. In der Stadt hoffen viele auf Arbeit im Dienstleistungssektor und in den Fabriken. Die Löhne sind allerdings meistens nicht ausreichend und so rutschen viele Familien in die absolute Armut ab.

Langfristig wird die internationale Migration zunehmen. Der US-amerikanische Umweltforscher Adil Najam rechnet mit bis zu  2,5 Milliarden Geflüchteten. Denn zum Extremwetter gesellen sich noch Fluchtursachen wie Krieg und Gewalt in Folge der Ressourcenverknappung beispielsweise von Trinkwasser. Diese Migrationsströme bewegen sich mehrheitlich in den globalen Norden. Dieser ist – wie zum Beispiel Europa –geographisch besser geschützt und hat mehr finanzielle Kraft, um die Auswirkungen des Klimawandels abzufedern.

Genau deswegen ist der Punkt Gerechtigkeit auch notwendig in der Debatte des Klimawandels. Der globale Süden und die Menschen, die dort leben, leiden besonders unter den Folgen. Dabei gehören sie und ihre Regionen gar nicht zu den Verursachern dieser Katastrophe. Treibende Kraft des Klimawandels sind die Industriestaaten, die seit der Frühindustrialisierung deutlich mehr Emissionen ausgestoßen sich einen gewissen „Wohlstand“ aufgebaut haben – der nun allerdings auch die Verantwortung für die Folgewirkungen mit sich bringt: Die Verantwortung für eine deutliche Senkung der eigenen Emissionen (auch wenn dies vor allem wegen der irrationalen Angst vor einem „Wohlstands“verlust nicht einfach ist). Die Verantwortung für den globalen Süden, der in unserem System generell zu den Verlierern zählt und auf eine lange Historie von Ausbeutung zurückblickt. Und Verantwortung für die 2,5 Milliarden zukünftigen Geflüchteten.

Der globale Norden darf sich nicht abschotten und die Menschen an den Grenzen zurückweisen. Das wäre im höchsten Maß ungerecht. Deshalb müssen wir nicht nur die eigenen Emissionen radikal reduzieren. Es müssen bei der Bewältigung der Klimakrise auch die sozialen und ethischen Dimensionen mitbetrachtet werden. Und wir müssen schon heute über die Unterstützung der Länder des globalen Südens reden und darüber, wie wir mit den Klimaflüchtlingen umgehen, wie wir sie aufnehmen und integrieren.

Über weitere Aspekte der Klimagerechtigkeit wird auf der Mahnwache informiert. Es lohnt sich also ein kurzer Stopp beim Abendspaziergang – am Dienstag, 18. Januar, um 18 Uhr auf dem Münsterplatz.

Text: Carina Winkels von der Klimacamp-Redaktion
Illustration: Wikimedia Commons

Der Klimacamp-Blog wird von Aktivist:innen des Konstanzer Camps verfasst. Sie entscheiden autonom über die Beiträge. Bisher sind auf seemoz.de erschienen:

(30) Warum nicht in aller Munde?
(29): Tag 134 – und weiter geht’s!
(28): Was wir jetzt am dringendsten brauchen
(27): Es gibt kein Weihnachten auf einem toten Planeten
(26): Wenn alles kippt
(25): Besuch im Camp
(24): Ein Konstanzer Traum
(23): Mit der geplanten Erdgas-Pipeline zurück ins fossile Mittelalter
(22): Die Kirche und das Camp
(21): Winter im Camp – wir brauchen Unterstützung!
(20): Die Konstanzer Klimaschutzstrategie
(19): Diese Woche? Klimawoche!
(18): Hambi 2.0 – der Kampf um Lützerath
(17): Hundert Tage – Party oder Trauerfeier?
(16): Was passiert, wenn wir die 1,5 Grad-Grenze überschreiten?
(15): Ein Plädoyer für Offenheit
(14): Was kostet Anwohnerparken?
(13): Wie, Konstanz, hältst du’s mit dem Gas?
(12) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 2)
(11) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 1)
(10) Eine Nacht im Klimacamp
(9) Sind individuelle Lösungen ein wirksames Mittel? Eine Gegenüberstellung
(8) Ein Tag im Camp
(7) Demo- und Wahlrückblick
(6) Nach der Wahl: Das muss jetzt passieren
(5) Zwischen Verzweiflung und Hoffnung
(4) Klimastreik vor der Wahl
(3) Eine lange Radtour
(2) Kaum Fortschritte beim Klimaschutzbericht
(1) Warum Fridays nicht mehr reicht