Der Klimacamp-Blog (34): Wenn der Frühling im Januar beginnt

Wer Anfang Januar die milden Temperaturen für ausgedehnte Spaziergänge in der Natur genutzt hat, hat vielleicht festgestellt, dass schätzungsweise 90% der Bäume und Sträucher schon am Knospen waren. Zumindest ging es mir so. Und weil ich danach einigermaßen stutzig war, habe ich mich ein bisschen mit dem Frühlingsanfang auseinandergesetzt. Hier mal eine Zusammenfassung.

Interessant ist ein Blick darauf, wie sich die phänologischen Jahreszeiten durch die Erderhitzung bereits verschoben haben. Diese orientieren sich an den verschiedenen Entwicklungsstadien der Pflanzen, also wann blühen sie, entstehen Früchte, werden Blätter befallen. Wann genau Pflanzen zu blühen beginnen, ist von Jahr zu Jahr verschieden. Es gibt aber die Tendenz, dass der Frühling immer früher im Jahr beginnt. Der Deutsche Wetterdienst hat die Zeitspanne von 1961–1990 mit 1991–2019 verglichen. Fazit: Der Herbst dauert inzwischen zwei Wochen länger, weil er schon früher beginnt. Der Sommer hat sich im Jahr nach vorne verschoben, ist aber ungefähr gleich lang geblieben. Er beginnt jetzt schon Ende Mai statt Anfang Juni. Dadurch hört der Frühling natürlich früher im Jahr auf, beginnt aber schon Mitte Februar. Im Durchschnitt sei der Frühling im Untersuchungszeitraum fünf Tage länger geworden, so der Wetterdienst. Entsprechend kürzer fallen inzwischen die Winter aus; sie dauern jetzt von Anfang November bis Mitte Februar.

Eine Studie des Fachbereichs Biowissenschaften der Uni Jena, bei der über 550 Pflanzenarten untersucht wurde, kam zu dem Schluss: Bei 80 Prozent dieser Pflanzenarten hat sich die Blütezeit innerhalb der letzten 10 Jahre nach vorne verschoben (siehe dazu die Berichte von „European Scientist“ und des MDR). Der Befund passt zu Aufzeichnungen zur Blütezeit der Apfelbäume in Bayern. Dort hat sich in den letzten 32 Jahren die Blütezeit alle 10 Jahre um 4 Tage nach vorne verschoben.

Maximal minus 2 Grad

Und wo liegt jetzt das Problem? Nach milden Wintern wie diesem fangen Bäume früher an zu blühen. Trotzdem kann es bis zu den Eisheiligen Mitte Mai in kalten Nächten noch zu Frost kommen. Wenn beispielsweise Apfelbäume früh im Jahr blühen, erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie Frostschäden abbekommen. Dies wiederum kann den Ernteertrag im Herbst senken. Dabei gilt: Wenn die Knospen noch geschlossen sind, können sie Kälte bis zu minus 4 Grad aushalten. Blütenblätter vertragen dagegen nur minus 2 Grad und wenn ein Baum voll in der Blüte steht, sollten die Temperaturen nicht mehr unter null Grad fallen.

Natürlich ist das kein neues Phänomen, und wir kennen Wege, um Obstbäume vor Frost zu schützen. Obstbäuer:innen greifen oft zur Frostschutzberegnung. Dabei sorgen Beregnungsanlagen dafür, dass sich Wasser um die Blüten legt; ieses gefriert und schützt, weil es die Temperatur im Inneren bei Null Grad hält.

Die frühe Rückkehr der Zugvögel

Bei Frostschäden kennen wir also Wege, wie sie sich vermeiden lassen können. Aber vermehrte Frostschäden sind nicht die einzige Folge der verschobenen Vegetationszeiten. Die immer milderen Temperaturen zu Jahresbeginn wirken sich auch auf die Tierwelt aus. So kommen Zugvögel in den letzten Jahrzehnten beispielsweise immer früher im Jahr zurück. Momentan sind die Blütezeiten der Bäume gut synchronisiert mit den Rhythmen der Tiere, beispielsweise der Insekten, die sie bestäuben. Wie sich dieses Zusammenspiel jedoch zukünftig verändern wird, ist unsicher und wird uns im Hinblick auf Ernteerträge sehr wahrscheinlich weiter beschäftigen.

Für mich ist momentan eine Zeit, in der ich den Klimawandel sehr deutlich in der Natur wahrnehme. An alle, die diesen Blogbeitrag lesen: Seht ihn als eine Einladung, bei Spaziergängen darauf zu achten, was um uns herum schon alles sprießt und blüht. Welche Baumarten werden dieses Jahr besonders früh blühen? Und wie wirkt sich das bei Obstbäumen auf die Fruchtbildung aus? Diese Prozesse hängen von mehreren Faktoren ab, die ich bisher nicht durchstiegen habe.

Was aber spannend ist: Es gibt zu jeder Jahreszeit Pflanzen, die gerade blühen. Jetzt im Winter hat zum Beispiel die Zaubernuss ihren Auftritt. Pflanzen, die besonders früh im Jahr blühen, nennt man Frühblüher. Diese lagern schon im Sommer Reserven ein, die sie dann für die Blütenbildung im darauffolgenden Jahr nutzen. Besonders trockene Sommer können sich deshalb negativ auf die nächste Blütenbildung auswirken. Auf verschiedenen Garten-Websites wird deshalb geraten, gerade diese Baumarten in trockenen Sommern zu bewässern. Dazu gehören beispielsweise Pflaumen. Diese blühen bereits im März oder April. Ein Frühblüher, den man in Konstanz viel sieht, ist der Flieder. Er blüht in der Regel, je nach Sorte und Standort, von Mai bis Juni.

Das obige Bild zeigt, wie momentan Fliederbüsche bei uns in Konstanz aussehen. Ich bin gespannt, wann der Busch vor unserem Haus dieses Jahr anfängt zu blühen. Mein Tipp: Früher als sonst.

Text und Foto: Corinna Zürn von der Klimacamp-Redaktion

Der Klimacamp-Blog wird von Aktivist:innen des Konstanzer Camps verfasst. Sie entscheiden autonom über die Beiträge. Bisher sind auf seemoz.de erschienen:

(33): Aufstand der letzten Generation
(32) Planetare Grenzen
(31) Über die Notwendigkeit von Klimagerechtigkeit
(30) Warum nicht in aller Munde?
(29): Tag 134 – und weiter geht’s!
(28): Was wir jetzt am dringendsten brauchen
(27): Es gibt kein Weihnachten auf einem toten Planeten
(26): Wenn alles kippt
(25): Besuch im Camp
(24): Ein Konstanzer Traum
(23): Mit der geplanten Erdgas-Pipeline zurück ins fossile Mittelalter
(22): Die Kirche und das Camp
(21): Winter im Camp – wir brauchen Unterstützung!
(20): Die Konstanzer Klimaschutzstrategie
(19): Diese Woche? Klimawoche!
(18): Hambi 2.0 – der Kampf um Lützerath
(17): Hundert Tage – Party oder Trauerfeier?
(16): Was passiert, wenn wir die 1,5 Grad-Grenze überschreiten?
(15): Ein Plädoyer für Offenheit
(14): Was kostet Anwohnerparken?
(13): Wie, Konstanz, hältst du’s mit dem Gas?
(12) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 2)
(11) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 1)
(10) Eine Nacht im Klimacamp
(9) Sind individuelle Lösungen ein wirksames Mittel? Eine Gegenüberstellung
(8) Ein Tag im Camp
(7) Demo- und Wahlrückblick
(6) Nach der Wahl: Das muss jetzt passieren
(5) Zwischen Verzweiflung und Hoffnung
(4) Klimastreik vor der Wahl
(3) Eine lange Radtour
(2) Kaum Fortschritte beim Klimaschutzbericht
(1) Warum Fridays nicht mehr reicht