Der Klimacamp-Blog (35): Auch der Bürgermeister zweifelt
Gemäß dem Beschluss zum Klimanotstand berichtet die Stadt Konstanz halbjährlich über den Stand der Dinge beim Klimaschutz. Der fünfte dieser Klimaschutzberichte wurde am vergangenen Donnerstag in der Gemeinderatssitzung vorgestellt. Im Folgenden ein paar wesentliche Punkte des Berichts und Kommentare dazu.
Wer gehofft hatte, in dem Bericht in absoluten Zahlen zu sehen, wo Konstanz beim Klimaschutz steht, wird leider enttäuscht. Es gibt immer noch keine exakten Angaben über die CO2-Einsparungen seit der Ausrufung des Klimanotstands. Somit kann man den Fortschritt bisher auch kaum beurteilen. Allerdings wurden jetzt erstmals die letzten verfügbaren Zahlen (von 2018) in den Bericht aufgenommen, so dass man den Fortschritt in Zukunft jährlich verfolgen kann – wenn auch leider nur mit dreijähriger Verzögerung, was ein schnelles Nachjustieren nicht ermöglicht.
Der Bericht verliert sich zum Teil immer noch in Details; er feiert zum Beispiel jede PV-Anlage einzeln als Erfolg. Im Anhang mit den Maßnahmen gemäß Klimaschutzstrategie findet man dann die Gesamtbilanz: 1,5 Megawatt Peak-Zubau im Jahr 2021, also nur 15 Prozent der in jedem Jahr nötigen 10 Megawatt Peak.
Die zweite Gaspipeline, die die Stadtwerke planen, ist leider immer noch nicht vom Tisch, auch wenn eigentlich jedem klar sein muss, dass der Gasverbrauch sinken muss und die zweite Gaspipeline deshalb nicht gebraucht wird.
Zum Thema Verkehr findet sich wenig. Die Anschaffung von Elektrobussen bei den Stadtwerken ist zwar gut, aber wenn die Wörter Auto, Fußgänger und Radfahrer im Bericht gar nicht auftauchen, gibt es insgesamt wohl kaum Fortschritte.
Positiv ist natürlich der Beschluss der Klimaschutzstrategie und dass im Klimaschutzbericht (beziehungsweise in dessen Anhang) die Umsetzung der Maßnahmen verfolgt wird.
Zwei Fragen
Nach der Vorstellung und Diskussion des Berichts war Bürgerfragestunde. Ich habe die Gelegenheit genutzt. Meine erste Frage war, was der Oberbürgermeister unternimmt, um die zweite Gaspipeline zu verhindern. Die Antwort dazu war sinngemäß: Es gäbe laufende juristische Klärungen, ob man diese Pipeline bauen muss. Wenn deren Ergebnis ist, dass sie gebaut werden muss, dann werde sie halt gebaut.
Die zweite Frage war, wie die Stadt erreichen will, dass im Jahr 2022 der Photovoltaik-Ausbau nicht wieder viel zu gering ausfällt, sondern das Ziel von 10 Megawatt Peak gemäß Klimaschutzstrategie erreicht wird. Die sinngemäße Antwort: Das Ziel wird wahrscheinlich nicht erreicht werden, weil die Rahmenbedingungen das nicht zulassen. Dies fand ich dann doch sehr enttäuschend. Nachdem wir jahrelang auf eine Klimaschutzstrategie gewartet haben und sie im November endlich vom Gemeinderat beschlossen wurde, glaubt der Oberbürgermeister nur zwei Monate später schon nicht mehr daran, dass sie umgesetzt werden kann.
Text: Klaus Vollmann von der Klimacamp-Redaktion
Bild (ein Teil der FFF-Mahnwache vor dem Konzilsgebäude, wo der Gemeinderat tagte): Carina Winkels
Der Klimacamp-Blog wird von Aktivist:innen des Konstanzer Camps verfasst. Sie entscheiden autonom über die Beiträge. Bisher sind auf seemoz.de erschienen:
(34) Wenn der Frühling im Januar beginnt
(33): Aufstand der letzten Generation
(32) Planetare Grenzen
(31) Über die Notwendigkeit von Klimagerechtigkeit
(30) Warum nicht in aller Munde?
(29): Tag 134 – und weiter geht’s!
(28): Was wir jetzt am dringendsten brauchen
(27): Es gibt kein Weihnachten auf einem toten Planeten
(26): Wenn alles kippt
(25): Besuch im Camp
(24): Ein Konstanzer Traum
(23): Mit der geplanten Erdgas-Pipeline zurück ins fossile Mittelalter
(22): Die Kirche und das Camp
(21): Winter im Camp – wir brauchen Unterstützung!
(20): Die Konstanzer Klimaschutzstrategie
(19): Diese Woche? Klimawoche!
(18): Hambi 2.0 – der Kampf um Lützerath
(17): Hundert Tage – Party oder Trauerfeier?
(16): Was passiert, wenn wir die 1,5 Grad-Grenze überschreiten?
(15): Ein Plädoyer für Offenheit
(14): Was kostet Anwohnerparken?
(13): Wie, Konstanz, hältst du’s mit dem Gas?
(12) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 2)
(11) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 1)
(10) Eine Nacht im Klimacamp
(9) Sind individuelle Lösungen ein wirksames Mittel? Eine Gegenüberstellung
(8) Ein Tag im Camp
(7) Demo- und Wahlrückblick
(6) Nach der Wahl: Das muss jetzt passieren
(5) Zwischen Verzweiflung und Hoffnung
(4) Klimastreik vor der Wahl
(3) Eine lange Radtour
(2) Kaum Fortschritte beim Klimaschutzbericht
(1) Warum Fridays nicht mehr reicht
> Es gäbe laufende juristische Klärungen, ob man diese Pipeline bauen muss.
Hä? Juristisch? Warum?