Der Klimacamp-Blog (51): Rückblick auf den globalen Klimastreik, Teil II
Zum globalen Klimastreik am vergangenen Freitag zogen bundesweit rund 220.000 Menschen durch etwa 300 Städte. In Konstanz waren es, wie im Klimacamp-Blog 50 berichtet, über 1000. Zu den Redner:innen auf der Abschlusskundgebung im Stadtgarten gehörte auch Manuel Oestringer von Fridays for Future, dessen Ausführungen zum zentralen Streikmotto #peoplenotprofit wir hier wiedergeben.
„Heute ist weltweiter Klimastreik. Das heißt: Heute gehen Menschen auf der ganzen Welt für Klimagerechtigkeit auf die Straße. Das sind, nebenbei bemerkt, auch immer die Tage, an denen man sich anschauen kann, wie herum sich die Erde eigentlich dreht. Heute morgen waren Menschen in Japan auf der Straße. Dann, etwas später, protestierten Klimastreikende in Bangladesh. Dann hat sich die Erde etwas weiter gedreht – jetzt sind wir dran. Und später, nach der Demo, könnt ihr dann live zuschauen, wie sie in Nordamerika auf die Straße gehen.
So ein weltweiter Klimastreik steht natürlich auch unter einem weltweiten Motto. Und das Motto heißt dieses Mal: #PeopleNotProfit, auf deutsch: Menschen, nicht Profite. Dazu möchte ich hier ein paar schnelle Worte verlieren. Denn man sieht Fehlentscheidungen zugunsten des Profits einzelner nämlich leider erstaunlich oft, wenn’s um die Klimakrise geht.
Das – die Profitorientierung – führt ja auch dazu, dass wir tatsächlich immer wieder ernsthaft darüber diskutieren müssen, ob wir uns erneuerbare Energien überhaupt leisten können. In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich? Ist die Rettung der Welt zu teuer? Sollen wir die Welt untergehen lassen? Es sei zwar schade, aber die Kosten … Solche Argumente hören wir immer wieder.
Die Geschichte wird noch absurder, wenn man sich anschaut, dass erneuerbare Energien wirtschaftlicher sind und wir fossile Energien mit 60 Milliarden Euro pro Jahr subventionieren. In jeder Studie zum Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) wird das Argument vorgebracht, dass es wirtschaftlicher ist, diese auszubauen. Aber warum zur Hölle müssen wir das überhaupt begründen? Die fortgesetzte Nutzung fossiler Energien droht die Menschheit auszulöschen, finanziert Kriege und Diktaturen – und das andere nicht. Aber, puh, echt schwierige Frage.
Man weiß es schon lange
Ende der 1970er-Jahre gab es bereits einige große Studien, die besagten, dass wir in eine Klimakatastrophe rasen, wenn wir nicht aufhören, fossile Energien zu verbrennen. Große Ölkonzerne wie Exxon sind diesen Hinweisen nachgegangen, und ihre firmeneigene Forschung war verdammt gut. Sie haben den Anstieg zwar leicht unterschätzt (nach ihren Studien sollten wir heute erst 1,1 Grad mehr mehr haben, stattdessen sind es 1,2 Grad Celsius mehr), aber aus damaliger Forschungssicht muss man sagen: Not bad.
Nur hatten Exxon und all die anderen Ölkonzerne damals schon erkannt, dass sie –wenn wir die Klimakrise ernst nehmen – dann dummerweise kein Öl mehr verkaufen können. Und das wäre nicht gut für ihre Profite gewesen. Was macht man da?
Ihre Antwort: Man verheimlicht die eigenen Forschungsergebnisse und unterstützt mit zig Millionen „unabhängige Institute“, die uns über Jahrzehnte hinweg einreden, dass das mit der Klimakrise ja auch nicht so ganz bewiesen ist. Und gleichzeitig beeinflussten sie Politiker:innen mit hunderten Millionen US-Dollar. Oder soll man sagen: bestachen sie? Jedenfalls sorgten sie dafür, dass über Jahrzehnte hinweg gar nichts passierte.
Mit anderen Worten: Unsere heutige, ziemlich doofe Lage mitten in der Klimakrise, entspricht dem Wunschbild von einigen der größten Firmen der Welt. (…) Trotz dieser offensichtlichen Zusammenhänge gibt es heute leider noch genügend Menschen, die für Ölkonzerne in die Presche springen und glauben, es se okay, wenn Menschen und Unternehmen unbegrenzt Macht ansammeln dürfen.
Umverteilung statt Grünem Wachstum
Aber unser Motto #peoplenotprofit reicht noch deutlich tiefer. Nehmen wir das Thema Wirtschaftswachstum. Es gibt keine Hinweise darauf, dass wir ab einem gewissen materiellen Wohlstand glücklicher werden, wenn wir noch mehr haben. Und gleichzeitig gibt es überhaupt keine Hinweise darauf, dass wir einen ökologischen Zusammenbruch verhindern können, wenn wir weiter auf Wirtschaftswachstum setzen. Trotzdem ignorieren viele diese mittlerweile sehr gut recherchierten Fakten, weil’s sich halt gut in den Büchern macht, und glauben allen Ernstes, dass wir mit „Grünem Wachstum“ unsere Probleme lösen können. Und das obwohl es mittlerweile sehr gute Forschungsergebnisse zu dieser Fragestellung gibt, die sehr eindeutige Ergebnisse erzielt haben. Aber ein Ausstieg aus dem Wirtschaftswachstum geht eben nur mit Umverteilung – und das klingt in vielen Ohren gar nicht gut.
So, das war jetzt etwas negativ. Daher noch etwas Positives zum Abschluss. Es ist möglich, für alle Menschen auf der Welt ein gutes Leben innerhalb ökologischer Grenzen zu schaffen. Das dürfe wir nie vergessen! Aber dafür braucht es vor allem, dass wir konsequent Menschen vor die Profite weniger mächtiger Konzerne stellen.
Und wie schaffen wir das? Natürlich sind Exxon und Co. von dieser Idee nicht begeistert. Sie werden nie unsere Verbündeten sein auf dem Weg zu einem guten Leben für alle Menschen auf dem Planeten. Die gute Nachricht ist aber: Das müssen sie auch nicht. Wir schaffen das auch gegen sie. Und zwar, indem wir alle auf die Straße gehen und eine Zukunft einfordern.
In diesem Sinne: „What do we want? Climate Justice!
And when do we want it? Now!
Are we gonna fight for it? Yes!
And are we gonna get it? Of course!“
Text: Manuel Oestringer von der Klaimacamp-Redaktion
Fotos: Wolf-Rainer Hentschel und Pit Wuhrer
PS (1): Ein Veranstaltungshinweis: Infoveranstaltung „Klimaneutral – aber wie?”, auch mit Beiträgen von Fridays for Future. Heute, Mittwoch, 30. März, um 18 Uhr im Bodensee-Forum. Infos und Anmeldung HIER.
PS (2): Und hier noch mal das Video zum Konstanzer Klimastreik:
Der Klimacamp-Blog wird von Aktivist:innen des Konstanzer Camps verfasst. Sie entscheiden autonom über die Beiträge. Bisher sind auf seemoz.de erschienen:
(50) Rückblick auf den globalen Klimastreik, Teil I
(49) Frieden, Gerechtigkeit und die Klimakrise
(48) Ein Gedicht zum Klimastreik
(47) Hoffnung!
(46) Raus aus dem Anti-Klimavertrag!
(45) Vorbereiten auf den 25. März
(44) Friedensprojekt Energiewende
(43) Was ist rechtens? Und was richtig?
(42) Die Planetare Grenze für Chemikalien ist überschritten
(41) Energiecharta – der schmutzige Vertrag
(40) 200 Tage Klimacamp
(39) Dies ist ein Notfall. Das ist ein Aufstand
(38) Grünes Wachstum? Weniger ist mehr!
(37) Die Sache mit dem grünen Wachstum
(36) Dreimal das erste Mal
(35) Auch der Bürgermeister zweifelt
(34) Wenn der Frühling im Januar beginnt
(33) Aufstand der letzten Generation
(32) Planetare Grenzen
(31) Über die Notwendigkeit von Klimagerechtigkeit
(30) Warum nicht in aller Munde?
(29) Tag 134 – und weiter geht’s!
(28) Was wir jetzt am dringendsten brauchen
(27) Es gibt kein Weihnachten auf einem toten Planeten
(26) Wenn alles kippt
(25) Besuch im Camp
(24) Ein Konstanzer Traum
(23) Mit der geplanten Erdgas-Pipeline zurück ins fossile Mittelalter
(22) Die Kirche und das Camp
(21) Winter im Camp – wir brauchen Unterstützung!
(20) Die Konstanzer Klimaschutzstrategie
(19) Diese Woche? Klimawoche!
(18) Hambi 2.0 – der Kampf um Lützerath
(17) Hundert Tage – Party oder Trauerfeier?
(16) Was passiert, wenn wir die 1,5 Grad-Grenze überschreiten?
(15) Ein Plädoyer für Offenheit
(14) Was kostet Anwohnerparken?
(13) Wie, Konstanz, hältst du’s mit dem Gas?
(12) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 2)
(11) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 1)
(10) Eine Nacht im Klimacamp
(9) Sind individuelle Lösungen ein wirksames Mittel? Eine Gegenüberstellung
(8) Ein Tag im Camp
(7) Demo- und Wahlrückblick
(6) Nach der Wahl: Das muss jetzt passieren
(5) Zwischen Verzweiflung und Hoffnung
(4) Klimastreik vor der Wahl
(3) Eine lange Radtour
(2) Kaum Fortschritte beim Klimaschutzbericht
(1) Warum Fridays nicht mehr reicht
Ich denke die Forderungen der Klimaaktivisten sind richtig jedoch aus meiner Sicht der Ort der Demos ungünstig bis falsch.
Sinnvoll wäre es die Infrastruktur der verantwortlichen Politiker zu stören oder zumindest dort (Stuttgart /Berlin / Bonn ) zu demonstrieren.
Denn die Vorschriften und Bewilligungen für alternative Energien werden weder auf der Rheinbrücke noch im Herose Park entschieden.
Es ist aus meiner Sicht nicht die mangelnde Bereitschaft der Bürger oder Investoren sondern die Hürden / Stolpersteine aus dem Topf der Verordnungen / Richtlinien / Vorschriften die uns hindern so Vorwärts zu kommen wie wir es wollen.
Bei den aktuell gültigen Vorschriften baut keiner von uns auch nur 1 m2 Fotovoltaik auf ein öffentliches Gebäude geschweige denn auf oder an dem Balkon seiner Eigentumswohnung wie im Südkurier am 17.10.2022 zu lesen war.
„Wieso ein Konstanzer seine genehmigte Photovoltaik-Anlage nicht an seinem Balkon anbringen darf – in der Stadt, die 2019 den Klimanotstand ausgerufen hat“
Hier sind die Damen und Herren Politiker aller Parteien gefordert.
https://um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/erneuerbare-energien/windenergie/planung-genehmigung-und-bau/windenergie-und-naturschutz/
hier noch ein Beispiel
https://www.nebelspalter.ch/deutschland-offshore-windkraft-nicht-geht-mehr
https://www.deutschlandfunk.de/kein-anschluss-fuer-den-windstrom-100.html
Solange sich die Bürger / Bewohner der betroffenen Landstriche weigern und eine Leitungsführung der Stromtrassen blockieren
solange wird die vorhandene Stromerzeugung am Netz bleiben müssen.