Der Klimacamp-Blog (40): 200 Tage Klimacamp

Vielleicht erinnern sich einige noch an die 100-Tage-Klimacamp-Demo am 8. November. Damals waren die ersten hundert Tage ein krasser Erfolg für die meisten Aktivist:innen im Camp. Irgendwie sind nun allerdings klammheimlich nochmals 100 Tage vergangen – und zwar am heutigen Mittwoch. Auch die Zielmarke „sechs Monate“ haben wir überschritten. Allerdings finden zu den beiden Jubiläen keine Aktionen oder Feiern statt. Dafür gibt es zwei simple Gründe: Zum einen sind wir damit beschäftigt, das Camp aufrecht zu erhalten. Und zum anderen nehmen die Vorbereitungen für den globalen Klimastreik am 25. März viel Zeit in Anspruch.

Die letzten 100 Tage waren vermutlich die schwierigste Zeit des Camps. Wir mussten dem Wind, dem Wetter, der Kälte und der während der Feiertage immer wieder drohenden Unterbesetzung trotzen. Zudem hat sich viel verändert, auch im Erscheinungsbild: Die Küche ist winddichter geworden. Ein Bauwagen steht im Camp. Und dank der netten Unterstützung von Anwohnenden haben wir nun auch Strom für ein bisschen Licht und etwas Wärme.

Regelmäßige Veranstaltungen wie das Fairkochen und der Spieleabend finden momentan jedoch nicht statt. Lange war es zu kalt, zu dunkel und manchmal auch zu nass. Fürs Kochen und Spielen kam niemand ins Camp.

Doch seit einigen Wochen nimmt der Sonnenschein wieder zu, der Frühling ist in Sicht. Der Winter ist so gut wie überstanden. Natürlich wird es weiterhin – und hoffentlich ausreichend –Regen geben. Aber die Tage werden wieder länger und die Temperaturen steigen, was das Campleben und Aktionen leichter macht. Gegen April starten dann wieder regelmäßige Veranstaltungen wie der Spieleabend.

Die gute Aussicht auf den Frühling und Sommer macht angenehmer, was leider immer noch nötig ist: Wir müssen weiter campen, denn die Stadt Konstanz ergreift nicht die Maßnahmen, die es für die kürzlich beschlossene Klimaschutzstrategie bräuchte. Dementsprechend wird Konstanz die Klimaschutzziele vermutlich verfehlen. Das Beste an den Gemeinderatssitzungen und den Verwaltungsvorlagen war ohnehin, dass es überhaupt einen Klimaschutzbericht – den fünften – gibt; weniger positiv, weil kaum ausreichend, sind dessen Inhalte und das Tempo der Umsetzung (siehe dazu den Klimacamp-Blog Nr. 35 über die Präsentation des Berichts im Gemeinderat).

Auch auf Bundesebene bleiben ausreichende Maßnahmen der Ampel-Koalition aus. In den ersten 50 Tagen der Regierung wurde keine einzige der 100-Tage-Forderungen von Fridays for Future und Scientist for Future umgesetzt. Die Regierung unternimmt nicht die notwendigen Schritte gegen die 3-Grad-Erderwärmung, auf welche wir aktuell zusteuern. Das ist fatal. Diese 3 Grad machen ein gutes Leben auf diesem Planten unmöglich und setzen eine weitere Erderwärmung in Gang, die dann wirklich nicht mehr aufzuhalten ist.

Die EU versagt mit ihrer Taxonomie ebenfalls. Gas ist nicht nachhaltig und als Übergangstechnologie nicht notwendig. Gezielter und schneller Ausbau der erneuerbaren Energie wäre deutlich zielführender. Dasselbe gilt für die Gefahren der Atomenergie, die klimatisch alles andere als nachhaltig ist (nachhaltig ist da nur der fast ewig strahlende Atommüll), zu beachten. Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen sieht darüber einfach hinweg.

Deswegen ist es unbedingt nötig, dass wir weiterhin im Pfalzgarten campen. Die kommunale Politik muss handeln. Die Regierung muss handeln. Die EU muss handeln. In Konstanz können wir versuchen, vor Ort effektiv Druck auszuüben. Daher herzliche Einladung, sich am Klimacamp zu beteiligen: Auf die nächsten 100 Tage!

Übrigens: Am 25. März ist globaler Klimastreik. In Konstanz startet die Demonstration um 11:30 Uhr im Herosépark. Ende ist mit einer Abschlusskundgebung im Stadtgarten. Kommt gerne und kommt mit vielen, damit wir konsequente Handlungen von der Regierung und von der Stadt einfordern können. Denn es gilt #peopleoverprofit und #reichthaltnicht.

Text: Carina Winkels von der Klimacamp Redaktion
Foto: pw. Video: Fridays for Future Konstanz

Der Klimacamp-Blog wird von Aktivist:innen des Konstanzer Camps verfasst. Sie entscheiden autonom über die Beiträge. Bisher sind auf seemoz.de erschienen:

(39) Dies ist ein Notfall. Das ist ein Aufstand
(38) Grünes Wachstum? Weniger ist mehr!
(37) Die Sache mit dem grünen Wachstum
(36) Dreimal das erste Mal
(35) Auch der Bürgermeister zweifelt
(34) Wenn der Frühling im Januar beginnt
(33) Aufstand der letzten Generation
(32) Planetare Grenzen
(31) Über die Notwendigkeit von Klimagerechtigkeit
(30) Warum nicht in aller Munde?
(29) Tag 134 – und weiter geht’s!
(28) Was wir jetzt am dringendsten brauchen
(27) Es gibt kein Weihnachten auf einem toten Planeten
(26) Wenn alles kippt
(25) Besuch im Camp
(24) Ein Konstanzer Traum
(23) Mit der geplanten Erdgas-Pipeline zurück ins fossile Mittelalter
(22) Die Kirche und das Camp
(21) Winter im Camp – wir brauchen Unterstützung!
(20) Die Konstanzer Klimaschutzstrategie
(19) Diese Woche? Klimawoche!
(18) Hambi 2.0 – der Kampf um Lützerath
(17) Hundert Tage – Party oder Trauerfeier?
(16) Was passiert, wenn wir die 1,5 Grad-Grenze überschreiten?
(15) Ein Plädoyer für Offenheit
(14) Was kostet Anwohnerparken?
(13) Wie, Konstanz, hältst du’s mit dem Gas?
(12) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 2)
(11) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 1)
(10) Eine Nacht im Klimacamp
(9) Sind individuelle Lösungen ein wirksames Mittel? Eine Gegenüberstellung
(8) Ein Tag im Camp
(7) Demo- und Wahlrückblick
(6) Nach der Wahl: Das muss jetzt passieren
(5) Zwischen Verzweiflung und Hoffnung
(4) Klimastreik vor der Wahl
(3) Eine lange Radtour
(2) Kaum Fortschritte beim Klimaschutzbericht
(1) Warum Fridays nicht mehr reicht