Der Klimacamp-Blog (49): Frieden, Gerechtigkeit und die Klimakrise

Am Freitag ist es wieder soweit. Der nächste weltweite Klimastreik ruft, mit Demonstrationen rund um die Welt und natürlich auch in Konstanz. Der Freitag steht unter zwei Mottos: Einmal der internationale, länger geplante Hashtag #PeopleNotProfit (zu deutsch: Menschen, nicht Profite), und dann noch der etwas spontaner dazugekommene #PeaceAndJustice (Frieden und Gerechtigkeit).

Was bedeutet das? Wofür gehen wir also am Freitag auf die Straße? Und warum braucht es einen Klimastreik zum Frieden? Was sind die Verknüpfungen zwischen Klimakrise und Krieg? Diese sind vielfältig:

Auf der einen Seite werden zahlreiche Kriege um Ressourcen, insbesondere um fossile Brennstoffe wie Erdöl, geführt. Die Havard Kennedy School kam vor einigen Jahren zu dem Ergebnis, dass seit 1973 zwischen einem Viertel und der Hälfte aller Kriege mit Erdöl zusammenhingen.

Zusätzlich werden durch den Kauf von fossilen Brennstoffen viele Diktatoren finanziell unterstützt. So überweist die EU aktuell pro Tag 600 Millionen Euro an Russland durch den Bezug von Öl und Gas und finanziert damit Putins Krieg in der Ukraine mit. Aber auch alternative Bezugsquellen wie zum Beispiel Saudi Arabien oder Katar sind diktatorisch organisierte Staaten, die nebst zahlreicher gravierender Menschenrechtsverletzungen im Land auch in blutige Kriege wie im Jemen involviert sind.

Außerdem führt das Verbrennen von fossilen Brennstoffen natürlich zu einer Klimakatastrophe. Und die sorgt unter anderem dazu, dass ganze Landstriche unbewohnbar werden und neue Kriege dadurch ausbrechen können. Bei einem „weiter so“ könnten bereits in dreißig Jahren rund eine Milliarde Menschen klimabedingt auf der Flucht sein. Eine humanitäre Katastrophe, die zahlreiche Kriege weltweit heraufbeschwören würde.

Der globale Süden leidet

Um also in Zukunft in einer friedlichen Welt zu leben, müssen wir ganz schnell raus aus fossilen Energien, und hier kommt der Begriff #PeopleNotProfit ins Spiel, der versucht, den tieferliegenden Grund für die Klimakrise und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beschreiben. Dieser Grund lässt sich am Einfachsten verstehen, indem man sich folgende Fakten vor Augen führt:

• Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung sind für die Hälfte aller CO2-Emissionen verantwortlich sind und besitzen gleichzeitig 83 Prozent des weltweiten Vermögens. Diese reichsten 10 Prozent befinden sich überwiegend im globalen Norden.

• Die ärmeren 90 Prozent der Menschheit hingegen leiden deutlich mehr unter der Klimakrise, obwohl sie im Grunde am wenigsten dafür können.

• Diese große Mehrheit lebt überproportional im globalen Süden.

• Das heißt, die Hauptverantwortlichen für die Klimakatastrophe spüren ihren Folgen am wenigsten – und profitieren am meisten von der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, beispielsweise durch das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas.

Dieser Zusammenhang ist kein Zufall, sondern das Ergebnis eines nahezu weltumfassenden wirtschaftlichen und kulturellen Systems, dessen Ursprünge in den Gräueltaten der Kolonialzeit zu finden sind. Es ist ein extrem ineffizientes System –zumindest im Hinblick darauf, wie wir mit begrenzten Ressourcen ein gutes Leben für alle ermöglichen können – und es ist ein System, das die Mehrheit der Bevölkerung zugunsten einer kleinen Minderheit ausbeutet. Und genau diese extrem einflussreiche reiche Minderheit hat aber ein sehr großes Interesse daran, den Status quo zu erhalten.

Und damit auch die Verbrennung fossiler Energieträger voranzutreiben. Quasi „profit over people“.

Das Wunschbild der Konzerne

Das zeigte sich zum Beispiel sehr deutlich, als die großen Ölkonzerne wie Exxon Ende der 1970er Jahre Hinweisen auf eine mögliche Erderhitzung mit intensiver firmeneigenen Forschung nachgingen. Das Ergebnis ihrer Recherche? Die Klimakrise sei real, schlussfolgerten die Studien; und wenn wir nichts tun, werden wir um 2020 herum eine Erderhitzung von ca. 1,1 Grad Celsius haben.

Und ihre firmenpolitischen Schlussfolgerungen? Da die Erkenntnis – Erderhitzung durch das eigene Produkt  – das Geschäftsmodell kaputt zu machen drohte, wurden die eigene Forschungsergebnisse unter Verschluss gehalten. Mehr noch: Allein Exxon finanzierte mit 31 Millionen US-Dollar Organisationen, die Zweifel an der Tatsache eines menschengemachten Klimawandels verbreiteten und Klimaforscher diffamierten. Außerdem wurde mit hunderten Millionen Dollar Politiker:innen beeinflusst, um Entscheidungen zu ihren Gunsten zu fällen. Das Ergebnis ihrer „Investitionen“? Jahrzehntelang wurde daran gezweifelt, ob es den Klimawandel überhaupt gibt – mit dem Ergebnis, dass wir heute eine Erderhitzung von 1,2 Grad Celsius gegenüber vorindustriellem Niveau haben. Mit anderen Worten, unsere momentane Lage entspricht dem Wunschbild großer Konzerne wie Exxon.

Wenn wir also in Zukunft in einer friedlichen, bewohnbaren Welt leben wollen, dann müssen wir beginnen, das wirtschaftliche System in Frage zu stellen. Es wird Zeit, dass wir konsequent Menschen vor Profite stellen!

Damit das passiert, gehen wir am Freitag wieder weltweit auf die Straße. Sei auch du dabei! Morgen, Freitag, 25. März, Startpunkt 11:30 Uhr im Herosépark.

Text: Manuel Oestringer von der Klimacamp-Redaktion
Illustrationen: Fridays for Future

Der Klimacamp-Blog wird von Aktivist:innen des Konstanzer Camps verfasst. Sie entscheiden autonom über die Beiträge. Bisher sind auf seemoz.de erschienen:

(48) Ein Gedicht zum Klimastreik
(47) Hoffnung!
(46) Raus aus dem Anti-Klimavertrag!
(45) Vorbereiten auf den 25. März
(44) Friedensprojekt Energiewende
(43) Was ist rechtens? Und was richtig?
(42) Die Planetare Grenze für Chemikalien ist überschritten
(41) Energiecharta – der schmutzige Vertrag
(40) 200 Tage Klimacamp
(39) Dies ist ein Notfall. Das ist ein Aufstand
(38) Grünes Wachstum? Weniger ist mehr!
(37) Die Sache mit dem grünen Wachstum
(36) Dreimal das erste Mal
(35) Auch der Bürgermeister zweifelt
(34) Wenn der Frühling im Januar beginnt
(33) Aufstand der letzten Generation
(32) Planetare Grenzen
(31) Über die Notwendigkeit von Klimagerechtigkeit
(30) Warum nicht in aller Munde?
(29) Tag 134 – und weiter geht’s!
(28) Was wir jetzt am dringendsten brauchen
(27) Es gibt kein Weihnachten auf einem toten Planeten
(26) Wenn alles kippt
(25) Besuch im Camp
(24) Ein Konstanzer Traum
(23) Mit der geplanten Erdgas-Pipeline zurück ins fossile Mittelalter
(22) Die Kirche und das Camp
(21) Winter im Camp – wir brauchen Unterstützung!
(20) Die Konstanzer Klimaschutzstrategie
(19) Diese Woche? Klimawoche!
(18) Hambi 2.0 – der Kampf um Lützerath
(17) Hundert Tage – Party oder Trauerfeier?
(16) Was passiert, wenn wir die 1,5 Grad-Grenze überschreiten?
(15) Ein Plädoyer für Offenheit
(14) Was kostet Anwohnerparken?
(13) Wie, Konstanz, hältst du’s mit dem Gas?
(12) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 2)
(11) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 1)
(10) Eine Nacht im Klimacamp
(9) Sind individuelle Lösungen ein wirksames Mittel? Eine Gegenüberstellung
(8) Ein Tag im Camp
(7) Demo- und Wahlrückblick
(6) Nach der Wahl: Das muss jetzt passieren
(5) Zwischen Verzweiflung und Hoffnung
(4) Klimastreik vor der Wahl
(3) Eine lange Radtour
(2) Kaum Fortschritte beim Klimaschutzbericht
(1) Warum Fridays nicht mehr reicht