Der Klimacamp-Blog (75): Motorboot fährt Klima tot

Nach zwei Jahren ohne Seenachtfest fand am Samstag das Feuerwerkspektakel wieder statt. Auch in diesem Jahr fuhren viele Menschen mit ihren Motorbooten in den Konstanzer Trichter für den besten Blick auf den grenzüberschreitenden Feuerwerks-Wettstreit.

Zeitgleich sammelte sich eine kleine Gruppe Klima-Aktivist:innen auf der Konstanzer Fahrradbrücke. Sie wiederholten damit eine Aktion , die es schon im Jahr 2018 am Seenachtfest gegeben hatte. Sie spannten ein Banner am Brückengeländer auf mit der Mahnung und Forderung „Motorboot macht Klima tot. Motorbootfreier Bodensee.“ Viele Schiffe fahren an diesem Abend noch unter der Brücke durch und viele bemerken auch das Plakat. Einige Freizeitkapitäne zeigen den am Geländer stehenden Aktivist:innen den Mittelfinger. Der Denkanstoß scheint nicht bei jedem zu fruchten.

Motorboote. Klimakrise. Energiekrise. Wie passt das zusammen?

Die einfache Antwort: gar nicht. Während uns die Politik auf drastische Einschnitte bei der Energieversorgung vorbereitet, bekommt sie es offensichtlich nicht mal hin, selbst solche grotesken Auswüchse unserer fossilen Energievergeudung zu stoppen, wie den komplett unnötigen Motorbootbetrieb. Seit 2018 hat es keinerlei Fortschritt beim Verbot privater Freizeitboote mit einem Verbrennermotor als Hauptantrieb gegeben.

Dabei sind Motorboote kein harmloser Freizeitspaß. Die starken Motoren vieler Boote verbrauchen ein Vielfaches dessen, was ein SUV mit Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn verbrennt. Das Düsen über den See schadet dem Klima damit sogar noch mehr als die sinnlose Raserei auf unseren Autobahnen. Und auch hier machen die Kosten der Boote und der steigende Preis für fossile Energieträger das Ganze zum Luxusvergnügen einer privilegierten Minderheit.

Bodenseekonferenz in der Verantwortung

Die Trockenperiode in diesem Sommer, die steigende Seetemperatur vor allem in den Flachwasserbereichen und der Rückgang des Bodenseepegels zeigen auch hier die Auswirkungen der Klimaveränderungen. Das sind im Vergleich zu Katastrophen und den dramatischen Umweltveränderungen im globalen Süden noch milde Folgen, die aber uns alle in der Region betreffen. Schon länger steht fest: Wir müssen unsere Treibhausgasemissionen auf Null senken und das so schnell wie irgend möglich. Damit gehen auch Veränderungen in unserer Lebensweise einher, und nicht alles, was heute gesellschaftlich akzeptiert ist, wird in Zukunft so gesehen werden. Warum also nicht beim Sparen da anfangen, wo es am wenigsten weh tut – bei den unnötigen Luxusvergnügungen einiger weniger auf Kosten der Allgemeinheit. An Alternativen mangelt es ja nicht. Segeln, Rudern, Kajak fahren, Tretboot und Stand-Up-Padling sind alles klimaschonende Aktivitäten auf dem Wasser.

In der Verantwortung stehen neben den Städten und Gemeinden auch die Internationale Bodenseekonferenz IBK, die als Zusammenschluss der Anliegerländer und -Kantone auch für den Gewässer- und Umweltschutz zuständig ist. Ein Verbot von Motorbooten auf dem See wäre nicht nur eine vernünftige und längst überfällige Klimaschutzmaßnahmen, sondern würden auch der Umwelt zugutekommen. Die Motorboote verursachen schließlich auch noch schädlichen Wellenschlag, Schadstoffeintrag in den See und Lärm.

Passant:innen auf der Fahrradbrücke stimmen den Aktivist:innen zu, die auf der Brücke noch ein weiteres Banner hochhalten. Auf diesem steht: Segelspaß statt Klimagas. Gäbe es eine Mobilitätswende auch auf dem See, wäre es , was zur Erholung aller beiträgt.

Ein motorbootfreier Bodensee ist nicht die größte und wichtigste Maßnahme in Sachen Klimaschutz am Bodensee, aber das Verbot ließe sich im Vergleich zu anderen Maßnahmen leicht und schnell umsetzen. Es ist einfach mitzunehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität. Irgendwann wird das Verbot sowieso kommen müssen. Null-Emissionen bedeutet schließlich, gar keine Kohle, Öl und Gas mehr zu verbrennen. Warum also nicht schon jetzt einen motorbootfreien Bodensee umsetzen? Auf den bayerischen Voralpenseen geht es doch schließlich auch, und das seit vielen Jahren. Und für eine „Ökodiktatur“ sind die Bayern trotzdem nicht bekannt.

Text: Carina Winkels von der Konstanzer Klimacamp-Redaktion
Fotos: Fridays for Future Konstanz

Der Klimacamp-Blog wird von Aktivist:innen des Konstanzer Camps verfasst. Sie entscheiden autonom über die Beiträge. Bisher sind auf seemoz.de erschienen:

(74) Es geht weiter!
(73) (K)ein Grund zu feiern
(72) Ein Jahr Klimacamp
(71) Große Hektik, wenig Zukunft
(70) Klimaschutz als kommunale Pflichtaufgabe?
(69) Warm- oder Kaltbaden? Ein Dilemma
(68) Der klimaneutrale Weinhändler
(67) Was der Deutschlandfunk berichtet
(66) Weniger ist mehr
(65) Können Klimabewegungen und Gewerkschaften zusammen Ziele erreichen?
(64) Zwei Stunden pro Woche für das Camp!
(63) Was will die „letzte Generation“?
(62) CETA oder Klima
(61) Klima-Bahn oder Betonbahn?
(60) Gasausstieg in Konstanz – ein Übersichtsartikel
(59) Ausstieg aus dem Wirtschaftswachstum, Teil III
(58) Atomstrom ist keine Lösung
(57) Orchideen und die Klimakrise
(56) Wer ist „wir“?
(55) Aufstand der letzten Generation – auch in Konstanz
(54) Klimadebatte in Konstanz: Fakten oder Meinung?
(53) Ausstieg aus dem Wirtschaftswachstum, Teil II
(52) Ausstieg aus dem Wirtschaftswachstum, Teil I
(51) Rückblick auf den globalen Klimastreik, Teil II
(50) Rückblick auf den globalen Klimastreik, Teil I
(49) Frieden, Gerechtigkeit und die Klimakrise
(48) Ein Gedicht zum Klimastreik
(47) Hoffnung!
(46) Raus aus dem Anti-Klimavertrag!
(45) Vorbereiten auf den 25. März
(44) Friedensprojekt Energiewende
(43) Was ist rechtens? Und was richtig?
(42) Die Planetare Grenze für Chemikalien ist überschritten
(41) Energiecharta – der schmutzige Vertrag
(40) 200 Tage Klimacamp
(39) Dies ist ein Notfall. Das ist ein Aufstand
(38) Grünes Wachstum? Weniger ist mehr!
(37) Die Sache mit dem grünen Wachstum
(36) Dreimal das erste Mal
(35) Auch der Bürgermeister zweifelt
(34) Wenn der Frühling im Januar beginnt
(33) Aufstand der letzten Generation
(32) Planetare Grenzen
(31) Über die Notwendigkeit von Klimagerechtigkeit
(30) Warum nicht in aller Munde?
(29) Tag 134 – und weiter geht’s!
(28) Was wir jetzt am dringendsten brauchen
(27) Es gibt kein Weihnachten auf einem toten Planeten
(26) Wenn alles kippt
(25) Besuch im Camp
(24) Ein Konstanzer Traum
(23) Mit der geplanten Erdgas-Pipeline zurück ins fossile Mittelalter
(22) Die Kirche und das Camp
(21) Winter im Camp – wir brauchen Unterstützung!
(20) Die Konstanzer Klimaschutzstrategie
(19) Diese Woche? Klimawoche!
(18) Hambi 2.0 – der Kampf um Lützerath
(17) Hundert Tage – Party oder Trauerfeier?
(16) Was passiert, wenn wir die 1,5 Grad-Grenze überschreiten?
(15) Ein Plädoyer für Offenheit
(14) Was kostet Anwohnerparken?
(13) Wie, Konstanz, hältst du’s mit dem Gas?
(12) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 2)
(11) Der Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem (Teil 1)
(10) Eine Nacht im Klimacamp
(9) Sind individuelle Lösungen ein wirksames Mittel? Eine Gegenüberstellung
(8) Ein Tag im Camp
(7) Demo- und Wahlrückblick
(6) Nach der Wahl: Das muss jetzt passieren
(5) Zwischen Verzweiflung und Hoffnung
(4) Klimastreik vor der Wahl
(3) Eine lange Radtour
(2) Kaum Fortschritte beim Klimaschutzbericht
(1) Warum Fridays nicht mehr reicht